Kommentar:Immer der Reihe nach

Der Kompromiss im Ebersberger Finanzausschuss könnte tatsächlich mehr für den Gewerbestandort bringen, als die Einstellung eines Wirtschaftsförderers

Von Wieland Bögel

Besser jemanden fragen, der sich mit sowas auskennt, dieser Slogan war vor vielen Jahren Teil einer Werbekampagne für ein Branchentelefonbuch. Der Inhalt der Spots war relativ ähnlich, irgendwer steht vor einem selbst verschuldeten Scherbenhaufen und wünscht sich, er hätte doch rechtzeitig die Fachleute gerufen. Ein bisschen so las sich auch der Antrag nach Einrichtung einer Stelle für Wirtschaftsförderung, den die Freien Wähler in Ebersberg gestellt hatten: Die Stadt hat es verbockt, jetzt lasst mal die Profis ran. Doch wie sich zeigte, ist die Sache etwas komplexer.

Zum einen stellt sich die Frage, wie groß das Problem tatsächlich ist. Nun sind 1,3 Millionen Euro an entgangenen Gewerbesteuereinnahmen zwar sicher keine Kleinigkeit - aber eben auch nicht ungewöhnlich. Gerade bei dieser Steuerart ist die Fluktuation sehr hoch. Ausschläge, wie es sie 2018 in der Kreisstadt gegeben hat, sind darum natürlich ärgerlich, liegen aber innerhalb normaler Parameter. Schließlich reicht der Zu- oder Wegzug eines einzigen größeren Betriebes um den Füllstand der kommunalen Kasse merkbar zu beeinflussen. In den Jahren zuvor ging die Entwicklung eben in die andere Richtung, man freute sich im Jahresrhythmus bei jeder Haushaltsaufstellung über die erneut gestiegene Zahl in der Spalte Gewerbesteuer.

Die andere Frage ist nun aber, ob ein Wirtschaftsförderer diese Entwicklung vielleicht perpetuiert oder zumindest die Abwanderung verhindert hätte. Die Antwort muss aber lauten: Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Denn wenn Firmen ihren Standort wechseln, tun sie das meist nicht, weil ihnen aus dem Rathaus zu wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde, sondern weil ein anderer Standort mehr Möglichkeiten bietet. Neben niedrigeren Steuersätzen - der Faktor ist im Landkreis Ebersberg und in der Region weitgehend zu vernachlässigen - sind es vor allem Platzgründe, die Unternehmen zum Umzug bewegen. Laut einer Umfrage der IHK aus dem vergangenen Jahr im Großraum München rangiert für die Firmen der Mangel an Erweiterungsflächen in der Problemskala gleich hinter dem Fachkräftemangel.

Der nun im Ebersberger Finanzausschuss gefundene Kompromiss - mit den vorhandenen Strukturen die Akquise möglicher Gewerbe- und Tauschflächen zu intensivieren - könnte tatsächlich mehr für den Gewerbestandort bringen, als die Einstellung eines Wirtschaftsförderers. Zumal diese Grundstückssuche auch noch von einem Arbeitskreis der Stadträte und der Verwaltung unterstützt werden soll - immerhin Leute, die sich in Ebersberg eigentlich gut auskennen sollten.

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