Theater:Eine antike Tragödie wird zeitgemäß inszeniert

Mirja Biel inszeniert im Volkstheater "Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino" des britischen Dramatikers Martin Crimp, das auf Euripides' Tragödie "Die Phönizierinnen" basiert.

Von Hanna Emunds

Antike Tragödien sind so eine Sache - für viele sind sie verstaubte, überkommene Geschichten, mit denen man sich höchstens mal im Deutsch- oder Lateinunterricht beschäftigen musste, die aber nur wenige heute interessieren. Wie man solch einen alten Stoff spannend und zeitgemäß inszenieren kann, zeigt nun Regisseurin Mirja Biel, die die Tragödie "Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino" von Martin Crimp im Volkstheater auf die Bühne bringt. Grundlage des Stücks sind "Die Phönizierinnen" von Euripides, also die Geschichte um die Ödipus-Sage - ein nicht endenwollendes Familiendrama, das vom Ödipuskonflikt ausgehend über einen Bruderkampf bis zum Konflikt zwischen Antigone und Kreon reicht.

Biel verortet das Stück im Inneren eines verfallenen Hauses. Ihre Dramaturgin Rose Reiter beschreibt die Szenerie so: Es gibt Säulen und Liegesofas, die an einen antiken Palast erinnern. In der Ecke steht ein Kassettenrekorder. Kampflärm tönt von draußen herein, manchmal fallen Steine von der Decke. Durch den Raum streifen Mädchen, es sind die Phönizierinnen, die mit ihrem Chor auf dem Weg nach Delphi in Theben Halt machen. "Etwas Unheimliches geht von ihnen aus", erzählt Reiter. Nach und nach treten die anderen Figuren in Erscheinung. Die Mädchen flüstern ihnen Sätze zu, die sie wiederholen. "Es scheint, als wüssten alle Figuren bereits, was passieren wird, als wären sie sich ihres eigenen Schicksals bewusst." Der Chor der Mädchen fungiere als eine Art Verbindung zwischen unterschiedlichen Zeitebenen. "Es soll sich die Frage stellen: Wie viel Einfluss haben wir auf unser eigenes Schicksal?", erklärt sie weiter.

Auch wenn sich die Geschichte stark am antiken Stoff orientiert, die grundlegende Frage nach eigenverantwortlichem Handeln erinnert an modernere Aufklärungsgedanken. Auch die Sprache ist zeitgemäßer. Deshalb ist auch schon mal von Autobahnen die Rede, steht ein Kassettenrekorder auf der Bühne, aus dem Bachs "Die Seele ruht in Jesu Händen" schallt. Oder Eteokles sagt zu seiner Mutter Iokaste Dinge wie: "Ich hatte die Eier, mir die Macht zu nehmen" oder "Mami, was soll der Scheiß?" So wird aus einer uralten Geschichte ein zeitgenössisches Stück, das durch seine Verweise in die Jetztzeit auch jene interessieren dürfte, die sonst für antike Tragödien wenig übrig haben.

Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino, Premiere: Sonntag, 30. Juni, 19.30 Uhr, Volkstheater, Brienner Straße 50

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