Nach Eklat im Landtag:Aigner schließt Rüge für AfD-Politiker nicht aus

Plenarsitzung Bayerischer Landtag

Der AfD-Abgeordnete Ralph Müller im bayerischen Landtag.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Beim Totengedenken für den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke blieb der AfD-Abgeordnete Ralph Müller sitzen. Der Eklat erregt die Gemüter.

Von Wolfgang Wittl

Irgendwann muss auch in der AfD das Gefühl aufgekommen sein, dass dieser Eklat dringend einer Nachbereitung bedarf. Und so wurden am Mittwochabend eilig zwei Pressemitteilungen verschickt, die als ungewöhnlich zu bezeichnen sind. "Ich entschuldige mich ausdrücklich für dieses Verhalten", wird der Abgeordnete Ralph Müller zitiert, der zwar oft durch Zwischenrufe, aber selten durch Gesten des Bedauerns auffällt. "Dieses Verhalten" - damit meinte Müller einen Vorfall, den der Landtag so noch nicht erlebt hat. Beim Totengedenken für den von einem Rechtsextremisten getöteten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke blieb Müller zweieinhalb Minuten sitzen. Sein Rechtfertigungsversuch, er sei durch die Vorbereitung einer Rede abgelenkt gewesen, erboste die Abgeordneten anderer Fraktionen zusätzlich. Müller warf ihnen daraufhin eine "moralingetränkte Hexenjagd" vor.

Auch wegen solcher Sätze gilt Müllers Auftritt als irreparabel. Da half es auch wenig, dass Katrin Ebner-Steiner eine zweite Stellungnahme hinterherschickte, in der sie Lübckes Angehörigen namens der AfD-Fraktion ihr "ausdrückliches Beileid" aussprach. Nur wenn die Fraktion bei Müller Konsequenzen ziehe, könne sie sich glaubwürdig distanzieren, findet FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Nach schnellen Konsequenzen sah es am Donnerstag aber nicht aus. "Vorgänge im Plenum werden auf der nächstfolgenden Fraktionsversammlung intern besprochen", sagte AfD-Fraktionschefin Ebner-Steiner der SZ. Zu internen Vorgängen und laufenden Verfahren gebe sie "prinzipiell keine Auskünfte".

Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) hingegen schloss nicht aus, dass Müllers Verhalten Folgen haben wird - womöglich in Form einer Rüge. "Ich denke, wir werden uns noch im Präsidium darüber unterhalten", sagte Aigner am Donnerstag im Münchner Presseclub. Erst nach einem Gespräch mit Aigner hatte sich Müller im Landtag zweieinhalb Stunden nach dem Vorfall entschuldigt. "Besonders glaubwürdig kam das aber nicht rüber. Da war noch sehr viel Luft nach oben", sagt Aigner. Es sei "doch sehr ungewöhnlich, wenn es jemand nicht merken will, dass 200 Abgeordnete um ihn herum aufstehen, um eines ermordeten Politikers zu gedenken". Das Ansehen des gesamten Landtags sieht Aigner nicht beschädigt. "Die AfD hat ein Problem, nicht die anderen Parteien."

Ein Problem? Müllers Eklat überdeckte nur die internen Querelen der vergangenen Wochen, die im Streit um veröffentlichte E-Mails gipfelten. Acht von 20 Abgeordneten hatten sich unter anderem darüber ausgetauscht, ob sie eine Mehrheit gegen den Fraktionsvorstand um Ebner-Steiner organisieren könnten. Die vertraulichen Mails waren offenbar von einem AfD-Server heruntergeladen und von Ebner-Steiner publik gemacht worden. Die Fraktionschefin hatte den Schriftverkehr nach eigenen Worten "anonym" erhalten. "Irgendjemand hat in meine privaten Mails eingegriffen. Das ist schlicht und einfach eine Straftat", sagt der Abgeordnete Uli Henkel. Wie andere betroffene Kollegen erwägt er nun juristische Schritte.

Einer, der die Vorfälle mit Kopfschütteln verfolgt, fühlt sich mehr denn je bestätigt. Der ehemalige Fraktionschef Markus Plenk hatte die AfD im Unfrieden verlassen. Er wurde einst belächelt, wenn er seinen Laptop mitgenommen hat, als er Sitzungen für einen Gang auf die Toilette verließ. "Ich war nicht paranoid, sondern vorsichtig", sagt Plenk. Das habe die Sache mit den E-Mails nun gezeigt. "Wer zu solchen Mitteln greift, dem ist alles recht, um am Ruder zu bleiben." Ebner-Steiner und ihren Fraktionsgeschäftsführer Christoph Maier hält Plenk "für ihre Positionen ungeeignet, bei der Kompetenz und auch charakterlich". Eine Abstimmung in der Fraktion hatte zuletzt ein Patt ergeben: Zehn Abgeordnete votierten für das Führungsduo, zehn dagegen. Dass die beiden zurücktreten müssten, "dürfte jetzt jedem klar sein", sagt Plenk. Er denke aber nicht, dass es dazu komme: "Die Clique um Ebner-Steiner zeigt immer hemmungsloser ihr wahres Gesicht."

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