Moosach:Mit Aufklärung gegen Hass und Hetze

Moosach: Auf der Stirn eine Gebetskapsel, die Kippa am Hinterkopf, über den Schultern ein Gebetsmantel: Arie Rosen klärt Schüler der Artur-Kutscher-Realschule über seine Religion, das Judentum, auf.

Auf der Stirn eine Gebetskapsel, die Kippa am Hinterkopf, über den Schultern ein Gebetsmantel: Arie Rosen klärt Schüler der Artur-Kutscher-Realschule über seine Religion, das Judentum, auf.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Jude Arie Rosen von der Organisation "Kulturelle Begegnungen" besucht regelmäßig Schulen und spricht dort über seine Religion - nun auch in München

Von Pauline Stahl, Moosach

Antisemitische Äußerungen, Beschädigung jüdischen Eigentums und Angriffe auf Juden sind keine Seltenheit, auch nicht in München. 86 antisemitische Straftaten registrierte die Münchner Polizei 2018, darunter Morddrohungen. Auch wenn er selbst noch keine solchen Erfahrungen machen musste, weiß Arie Rosen, dass Juden wie er häufig beleidigt oder gar angegriffen werden. "Juden haben heute Angst, sich als solche zu outen, weil Antisemitismus wieder aufkeimt", sagt er. Um dem entgegenzuwirken und über das Judentum aufzuklären, ist der 47-Jährige von der Organisation "Kulturelle Begegnungen" regelmäßig in Schulen unterwegs und spricht über seine Religion.

Eine Thorarolle, Gebetskerzen und -kapseln sowie eine Kippa stehen vor Rosen auf einem Tisch. Davor sitzen am Mittwochmorgen Schüler von vier Klassen in der Mensa der Artur-Kutscher-Realschule. Der Sabbat, der jüdische Ruhetag, ist das Thema. Dabei zieht Rosen Parallelen zum Sonntag, der im Christentum als Tag zum Ausruhen gilt. Ähnliche Riten - das fällt den Sechstklässlern auf, auch wenn kaum eines der Kinder sonntags in die Kirche geht und das gemeinsame Essen mit der Familie im Alltag keine große Rolle mehr spielt. "Die Kinder merken, dass in der modernen Welt etwas verloren geht", meint Rosen. "Heutzutage wird nicht mehr gemeinsam gesungen oder gegessen."

Anders sieht das am Sabbat aus, an dem vor allem das Abend- und Mittagessen mit der Familie zelebriert wird. "Das fand ich sehr interessant", sagt Lili Keßler. "Das kenne ich so nämlich gar nicht." Genauso wie ihre Mitschülerin Clara Gerger hat sich die 12-Jährige im Religionsunterricht bereits mit dem Judentum beschäftigt. Der Vortrag habe die Schülerinnen dennoch viel Neues gelehrt. Vor allem als Rosen einen Gebetsmantel umlegt und sich den ledernen Gebetsriemen um den Arm wickelt, sitzen die Schüler mucksmäuschenstill da und schauen zu.

Unwissenheit in diesen Fragen ist laut Rosen ein großes Problem. Er selbst, in Frankfurt geboren, ging mit 15 Jahren nach Jerusalem. Bis zu seinem Militärdienst hatte er nicht viel mit dem Judentum zu tun. Erst die Begegnung mit einem sehr gläubigen Kameraden und philosophische Diskussionen über die Entstehung der Menschheit brachten ihn über die Religion zum Grübeln, der er durch seine jüdische Mutter selbst angehörte. Seit 2012 war er nun bundesweit in mehr als 300 Schulen unterwegs. Vergangene Woche noch in Frankfurt, sprach er in dieser Woche in München im Neuhof-, Novalis-, Maria-Theresia- und im Nymphenburger Gymnasium sowie in der Artur-Kutscher-Realschule. "Das Interesse der Schüler ist immer sehr groß", sagt Rosen. Viele Kinder bedankten sich danach für seinen Vortrag. Auch muslimische Schüler fühlten sich angesprochen und seien häufig verblüfft über die jüdischen Riten.

Als Andenken an seinen Vortrag schenkt Rosen jedem Schüler eine eigene Kippa. Ein paar der Kinder befestigen das jüdische Käppchen spontan an ihrem Hinterkopf. "Ich finde, jeder Demokrat sollte eine Kippa tragen, um seine Solidarität mit den Juden zu zeigen", sagt Arie Rosen. Ob die Schüler sie wirklich jemals tragen werden? Das weiß er natürlich nicht. Doch ihm bleibt die Hoffnung, dass sein Vortrag und das kleine Geschenk ein Stück weit dazu beitragen, Antisemitismus entgegenzusteuern.

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