Stadtpolitik:"Jeder Hype, auch der grüne, geht irgendwann mal vorbei"

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Oberbürgermeister Dieter Reiter spricht seiner SPD Mut zu. (Foto: Robert Haas)

Die SPD könne es schaffen, bei der Kommunalwahl 2020 stärkste Kraft in München zu werden, sagt Dieter Reiter auf einem Parteitag. Ein junges, weibliches Kompetenzteam soll den Weg in die Zukunft weisen.

Von Dominik Hutter

Der Störer wurde 600 Kilometer weiter nördlich ausgemacht. "Wir dürfen uns auf keinen Fall irritieren lassen von all dem, was in Berlin passiert", warnt Dieter Reiter. Abkoppeln also von den Bundes-Genossen, von der ungeliebten Großen Koalition sowie dem Personalienknatsch vor und nach dem Rücktritt von Andrea Nahles. Auch wenn zu ahnen sei, "dass uns die Begleitmusik aus Berlin nicht abhanden kommen wird". Der Oberbürgermeister will sich im anstehenden Kommunalwahlkampf durch die rein münchnerische Brille präsentieren, wo man sich schließlich angesichts einer in Jahrzehnten geschaffenen Bilanz nicht verstecken müsse.

Es gebe nur drei Möglichkeiten: "nachgeben, aufgeben oder alles geben". Klar, wofür Reiters Herz schlägt. "Wir können es schaffen, die stärkste Kraft in München zu werden. Jeder Hype, auch der grüne, geht irgendwann mal vorbei".

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Stärkste Partei. Angesichts der jüngsten Wahlmiseren ist es ein hehres Ziel, das Reiter da am Freitagabend auf dem SPD-Parteitag im Gewerkschaftshaus formuliert. Aber es ist unübersehbar, welche Botschaft der oberste Kandidat für die Kommunalwahl im März 2020 da unbedingt verbreiten will. Schluss mit dem Asche-aufs-eigene-Haupt-streuen. Die sozialdemokratische Depression der vergangenen Monate soll ein Ende haben. Die gut 250 Genossen im Saal scheinen dazu bereit zu sein, tatsächlich wirkt die unübersehbare Schwermut nach dem beispiellosen Absturz in der Wählergunst überwunden. Reiter, leger im offenen Hemd und mit hochgekrempelten Ärmeln, wird laut beklatscht. Die Sozialdemokraten wissen, dass es vor allem dieser Mann ist, der in den kommenden Monaten den schlingernden Dampfer auf Kurs bringen muss.

Allein aber ist er natürlich nicht, und an dem von Bürgermeisterin Christine Strobl vorgestellten Kompetenzteam lässt sich gut ablesen, wie sich die SPD die eigene Zukunft im Rathaus vorstellt. Jünger. Weiblicher. Und mit Gesichtern, die jedes dröge Funktionärsklischee, das Teilen der SPD anhaftet, gleich ausräumen sollen. Verena Dietl ist dabei, die aktuell schwangere Fraktionsvizin, die sich ums Thema Familie kümmern soll. Die Stadträtinnen Simone Burger, Anne Hübner und Bettina Messinger. Ex-Stadtrat Nikolaus Gradl, der 2002 bis 2014 zu den Jüngsten seiner Fraktion gehörte, aber auch jetzt noch als Jungdynamiker durchgeht. Sowie die Stadträte Jens Röver und Christian Müller, Letzterer ist wie Dietl Fraktionsvize. Viele Altvordere, die heute den Ton im Rathaus angeben, sind in diesem Kreis nicht vertreten - nicht einmal Fraktionschef Alexander Reissl. Allerdings ist es keineswegs zwingend, dass dies schon die Vorentscheidung für die Reihung der Stadtratsliste ist. Denn die SPD hat sich selbst ein derart kompliziertes und verkopftes Nominierungssystem verpasst, dass so mancher Hoffnungsträger noch durchfallen kann. Andererseits hat sich Reiter sechs Joker-Listenplätze ausbedungen, die eigene Pole-Position inbegriffen. Er kann also theoretisch eingreifen, wenn einige Köpfe des zweifellos mit ihm abgesprochenen Kompetenzteams zu scheitern drohen.

Das Kommunalwahlprogramm will die SPD erst im Oktober beschließen - am Freitag gab es aber bereits einen (langfristig angelegten) Vorgeschmack mit einem Leitantrag des Vorstands. Reiter setzt vor allem auf Wohnen und Verkehr. Wobei Verkehr Verkehrswende bedeutet: Weniger Autos, aber kein "Öko-Hedonismus".

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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