Seenotrettung im Mittelmeer:Steinmeier kritisiert Italien für Umgang mit Kapitänin Rackete

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  • Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich mit der Kapitänin des Flüchtlingsschiffs Sea Watch 3, Carola Rackete, solidarisiert.
  • Rackete steht auf Lampedusa unter Hausarrest; sie wurde festgenommen, weil sie ohne Genehmigung den dortigen Hafen angesteuert hatte.
  • In Deutschland werden Spenden für sie gesammelt, auch viele Politiker bekunden ihre Unterstützung.

"Wer Menschenleben rettet, kann nicht Verbrecher sein": Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Italien für die Festnahme der deutschen Kapitänin des Flüchtlingsschiffs Sea Watch 3 kritisiert. Es könne ja sein, dass es italienische Rechtsvorschriften gebe, wann ein Schiff einen Hafen anlaufen dürfe und wann nicht, sagte er im ZDF. "Nur: Italien ist nicht irgendein Staat. Italien ist inmitten der Europäischen Union, ist Gründungsstaat der Europäischen Union. Und deshalb dürfen wir von einem Land wie Italien erwarten, dass man mit einem solchen Fall anders umgeht."

Carola Rackete hatte das Schiff mit 41 Flüchtlingen an Bord ohne Genehmigung in den Hafen von Lampedusa gesteuert. Ein italienisches Zollboot hatte dies zu verhindern versucht, wurde aber nach italienischen Angaben abgedrängt. Die Organisation "Sea Watch" hatte das Vorgehen damit erklärt, dass Rackete befürchtete, Flüchtlinge an Bord könnten Selbstmord begehen. Inzwischen hat sich Rackete für das Manöver bei der Einfahrt entschuldigt. "Es tut ihr sehr leid, dass sie die Zollbeamten in Gefahr gebracht und in Angst versetzt hat", ließ sie über ihren Anwalt mitteilen. "Es war ein schwieriges Manöver, aber sie hatte das Gefühl, sie würde es sicher ausführen können", sagte dieser der Nachrichtenagentur Reuters.

Rackete wurde festgenommen. Innenminister Matteo Salvini nannte ihr Vorgehen einen kriminellen und kriegerischen Akt. Die Staatsanwaltschaft Sizilien hat Ermittlungen wegen des Verdachts der Unterstützung von Menschenhändlern eingeleitet. Italien lässt nur Schiffe mit Flüchtlingen anlegen, wenn es Länder gibt, die diese aufnehmen.

"Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden", twitterte Maas

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte sich am Samstag via Twitter eingeschaltet: "Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden. Es ist an der italienischen Justiz, die Vorwürfe schnell zu klären", schrieb er. Menschenleben zu retten, sei eine humanitäre Verpflichtung. "Der eigentliche Skandal ist das Ertrinken im Mittelmeer, sind die fehlenden legalen Fluchtwege und ein fehlender Verteilmechanismus in Europa", sagte Grünen-Chef Robert Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Europaabgeordnete der Linken, Özlem Demirel, erklärte: "Carola Rackete gehört nicht hinter Gitter, sondern verdient einen Orden für ihre Courage und Menschlichkeit." Der Parteivorstand der Linken forderte die Bundesregierung auf, die Geretteten in Deutschland aufzunehmen. Deutschland hatte sich wie mehrere andere EU-Staaten dazu bereits bereiterklärt.

Aus der deutschen Öffentlichkeit erreichte die Kapitänin eine Welle der Solidarität. Die Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf riefen zu Spenden für die Seenotretter auf. Bis Sonntagnachmittag kam bereits mehr als eine halbe Million Euro zusammen. "Mit den Ereignissen der letzten Tage hat diese unmenschliche, kaltblütige und skrupellose Politik einen neuen Tiefpunkt erreicht", sagte Böhmermann. Der Youtuber Rezo unterstützte die Aktion und nannte es "abgefuckt", dass Rackete verhaftet wurde. Sogar Siemens-Chef Joe Kaeser meldete sich zu Wort: "Menschen, die Leben retten, sollten nicht festgenommen werden. Menschen, die töten, die Hass und Leid säen und fördern, sollten es", twitterte er. Kaeser ist bekannt dafür, sich als einer der wenigen Top-Manager immer wieder auch zu politischen Vorgängen zu äußern.

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Seenotrettung
:Welche Strafen der Sea-Watch-Kapitänin drohen

Für die einen ist sie eine Heldin, für Italiens Innenminister eine Kriminelle. Wie es für Carola Rackete weitergeht, hängt unter anderem von der Definition des Wortes "Kriegsschiff" ab.

Von Oliver Meiler

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