Bodenpolitik:Mehr Bauland allein wird die Wohnungsnot nicht lindern

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Ein gewinnorientierter Investor ist in einigen Städten fast schon dazu gezwungen ist, teure Eigentums- und Mietwohnungen zu errichten. (Foto: dpa)

Eine sozial gerechte Bodenpolitik müsste auf der politischen Agenda ganz oben stehen - tut sie aber nicht. Es braucht einen radikalen Richtungswechsel.

Kommentar von Laura Weissmüller

Das Problem fängt schon mit dem Namen an. "Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik" nannte sich die Expertenkommission, die jetzt in Berlin ihre Ergebnisse vorgestellt hat. Tatsächlich versteckt sich hinter dem sperrigen Titel ein Thema, das dieses Land so prägen dürfte wie kaum ein anderes: der Umgang mit dem Boden. Er entscheidet, wie hierzulande gebaut wird, welche Häuser entstehen und wer dort wohnen darf. Der Umgang mit dem Boden entscheidet aber auch, ob in einem Land, in dem täglich 62 Hektar neu versiegelt werden, der Flächenfraß weitergeht. Eine sozial gerechte und nachhaltige Bodenpolitik müsste demnach auf der politischen Agenda ganz oben stehen.

Tut sie aber nicht - zumindest nicht bei allen Parteien. Das machen die Ergebnisse der Baulandkommission deutlich. Bereits im Jahr 1967 urteilte das Bundesverfassungsgericht: "Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des einzelnen vollständig zu überlassen." Doch statt sich endlich grundsätzlich mit der Frage zu beschäftigen, was es braucht, damit in diesem Land der Boden so behandelt wird, wie er es verdient, hat sich die Kommission vor allem auf die Frage konzentriert, wie sich schneller Bauland gewinnen lässt (und dieses dann auch schneller zu bebauen ist).

Das ist sicherlich nicht unwichtig in einem Land, wo zwei Millionen bezahlbare Wohnungen fehlen und die Kommunen händeringend nach Grundstücken suchen. Doch wer die Frage der Baulandmobilisierung beantwortet, bevor er jene der Bodenpolitik löst, der zementiert nur die Machtverhältnisse ein, die in Deutschland längst den sozialen Frieden gefährden.

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Denn die Logik, allein mehr Bauland würde dabei helfen, die Wohnungsnot in deutschen Städten zu lindern, folgt dem Glauben, dass sich bloß mit dem Bau von neuen Wohnungen dieser gewaltige Mangel bewältigen lässt, sprich: der Markt das Problem schon lösen wird. Dass er das nicht tun wird - und auch gar nicht kann, wenn er sich an seine eigenen Gesetze hält - zeigen nicht nur die vergangenen Jahre, sondern müssten jedem klar sein, der sich die aktuellen Bodenpreise in den umkämpften Metropolen vergegenwärtigt. In Städten wie München, Hamburg oder Berlin, aber auch Regensburg, Darmstadt oder Augsburg sind die Grundstückspreise derart gestiegen, dass ein Investor, der gewinnorientiert denkt, geradezu dazu gezwungen ist, teure Eigentums- und Mietwohnungen zu errichten, wenn er ein Grundstück kauft.

Es sind die explodierenden Bodenpreise, die das Bauen - und damit auch das Wohnen - in immer mehr deutschen Städten und Kommunen so teuer gemacht hat, nicht die Baukosten. Und deswegen wird sich am Verdrängungskampf dort auch nichts ändern, wenn nicht endlich der Boden dem spekulativen Markt sprichwörtlich entzogen wird.

Ohne einen radikalen Richtungswechsel wird es nicht gehen

Wie das gehen kann, hat Hans-Jochen Vogel, ehemals Münchens Oberbürgermeister und Bundesjustizminister, bereits in den Siebzigerjahren dargestellt: Über einen "Planungswertausgleich" ließen sich die leistungslosen Gewinne aus der Bodenwertsteigerung abschöpfen. Außerdem müsste endlich die Spekulationsfrist gestrichen werden, damit private Eigentümer auch nach zehn Jahren noch ihre Gewinne aus Immobilienverkäufen versteuern müssen. Schließlich sollten Städte und Kommunen mit einem preislimitierten Vorkaufsrecht ausgestattet werden, damit sie sich nicht weiter am spekulativem Markt beteiligen müssen.

Solche Maßnahmen sind Eingriffe ins private Eigentum und wohl deshalb kam die Expertenkommission in ihrem Abschlussbericht in diesen zentralen Punkten auch nicht über Absichtserklärungen hinaus. Schließlich saßen in der Kommission neben Vertretern des Bundes und der Länder auch die der Immobilienverbände. Doch ohne einen radikalen Richtungswechsel in der Bodenpolitik wird es nicht gehen. Die Werkzeuge dazu liegen - auch dank der Baulandkommission - sichtbar auf den Tisch. Jetzt muss der Bund für ihre Anwendung sorgen und nicht für Absichtserklärungen.

© SZ vom 03.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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