Mittenwald:Hangrutsch reißt 175 Schafe mit

Schafabtrieb in Mittenwald

Der Schafabtrieb in Mittenwald, wie hier 2017, ist normalerweise ein Grund zur Freude für die Schafbesitzer. In diesem Jahr ist die Vorfreude wegen des Hangrutsches gedämpft.

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Am Predigtstuhl im Karwendel hat die trockene Erde den Hufen der Herde offenbar nicht mehr standgehalten. Der letzte größere Absturz ist mehr als 20 Jahre her.

Von Matthias Köpf, Mittenwald

Der Schafabtrieb im Spätsommer ist immer eine große Sache in Mittenwald, und zwar nicht nur für die Ausflügler und die Touristen. Heuer steht er für den 7. September im Veranstaltungskalender der "Alpenwelt Karwendel". Tags darauf ist gleich in der Frühe "Schafscheid", bei der die Tiere wieder ihren Besitzern übergeben werden, und danach soll wie immer gefeiert werden. Normalerweise gibt es dazu allen Anlass, denn Gemeindeschäfer Josef Hornsteiner bringt wegen der neu geborenen Lämmer jedes Jahr mehr Tiere herunter, als er zu Beginn des Sommers hinaufgetrieben hat. Doch heuer wird das anders sein: Ein Hangrutsch am Predigtstuhl hat am Montag 175 Tiere auf einmal in die Tiefe gerissen.

Womöglich haben die Schafe den Hangrutsch mit ihren Hufen selbst ausgelöst, als die Herde auf 1500 Metern Höhe einen steilen Hang querte. Das vermuten zumindest die Experten des Geologischen Dienstes, die vom Landratsamt in Garmisch-Partenkirchen eingeschaltet worden sind. Mit einem leichten Erdbeben der Stärke 3,0, wie es am Freitag in der Region um Garmisch-Partenkirchen registriert wurde und das auch spürbar war, hat das Ereignis im Karwendel demnach nichts zu tun.

Auch Peter Reindl, der Vorsitzende der Mittenwalder Weidegenossenschaft, vermutet, dass die Tritte der Schafe die von der anhaltenden Hitze der vorangegangenen Tage völlig ausgetrocknete Grasnarbe aufgerissen haben. Die verletzte Grasnarbe habe den Hang dann nicht mehr halten können. Reindl hat gleich am Montag mit vier weiteren Genossen versucht, noch ungefähr 50 verstörte Schafe anzulocken und einzufangen, die nach dem Hangrutsch in dem Gebiet zwischen der Dammkarhütte und der Hochlandhütte in alle Richtungen davongelaufen waren.

Doch so trocken es an den Tagen zuvor gewesen war, so nass war es dann am Montag: Mehrere schwere Unwetter zogen über das Karwendelgebirge hinweg, sodass die Schafhalter auf der Suche nach ihren Tieren immer wieder pausieren mussten. Dafür waren am Montag am Predigtstuhl offenbar keine Bergwanderer unterwegs. Zumindest stießen weder die Polizei vom Hubschrauber aus noch die Tierhalter und die 14 Leute von der Mittenwalder Bergwacht am Boden auf irgendwelche Anzeichen, dass bei dem Hangrutsch auch Menschen mitgerissen worden sein könnten.

Am Dienstag war Peter Reindl noch einmal am Predigtstuhl, diesmal zusammen mit 24 Tierhaltern aus dem Tal, und am frühen Nachmittag waren es ihnen miteinander schließlich gelungen, vermutlich alle versprengten Tiere wieder auf sichere Pfade zu führen und zur Herde zu holen. Die Kadaver der getöteten Tiere wurden mit dem Hubschrauber ins Tal geflogen und von dort in eine Tierkörperbeseitigungsanlage gebracht. 175 tote Schafe zählte das Landratsamt. Das Fleisch wolle sicher niemand mehr essen, sagt Reindl, der selbst noch gar nicht weiß, ob dem Hangrutsch auch eines seiner eigenen fünf Tiere zum Opfer gefallen ist. An dem Hang seien am Montagvormittag ungefähr 300 Schafe aus der insgesamt 450 Tiere starken Herde der Weidegenossenschaft unterwegs gewesen. Sie gehören etwa 40 verschiedenen Tierhaltern, darunter viele Nebenerwerbsbauern, aber auch etliche Mittenwalder Bürger, für die das Halten eigener Bergschafe eher eine Liebhaberei ist. "Nicht der Verlust in Geld ist das Schlimme, sondern der Verlust von Vieh ist das Schlimme", sagt denn auch Peter Reindl.

Das so viele Tiere auf einmal durch einen solchen Hangrutsch umkommen, sei aber nun einmal eine natürliche Sache, so wie sich im Karwendel hin und wieder ein Adler eines der Lämmer hole. Schäfer Josef Hornsteiner, der seit vielen Jahren jeden Sommer die Schafe der Mittenwalder hütet und dem niemand irgendeinen Vorwurf mache, ist nach Reindls Worten von all dem ziemlich mitgenommen. Er bringt die Tiere trotz teilweise äußerst steiler und schmaler Steige in aller Regel sicher ins Tal. Der letzte größere Absturz mit etwa einem Dutzend Tiere ist mehr als 20 Jahre her.

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