Urteil:Baby zu Tode geschüttelt: Vater muss fünf Jahre in Haft

  • Ein Vater ist wegen Totschlags an seiner sechs Wochen alten Tochter zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.
  • Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann das Baby so heftig geschüttelt hatte, dass es an den Folgen starb.
  • Ob das Kind tatsächlich an den Folgen eines Schütteltraumas starb oder ob vielleicht doch an etwas anderem wie dem plötzlichen Kindstod, war das zentrale Thema in dem fast acht Monate währenden Verfahren.

Von Andreas Salch

Als die kleine Alessia in den Armen ihrer Mutter starb, war sie knapp sechs Wochen alt. In den frühen Morgenstunden des 23. Oktober 2017 hatte ein Oberarzt des Haunerschen Kinderspitals gemeinsam mit Sabrina V. und deren Mann Giovanni, 34, entschieden, die künstliche Beatmung einzustellen und Alessia "gehen zu lassen". Der Hirndruck des Kindes war infolge einer Hirnblutung immer weiter angestiegen. Der Auslöser war ein Schütteltrauma, so die Überzeugung von Rechtsmedizinern.

Schuld an Alessias Tod ist ihr Vater, davon waren die Richter des Schwurgerichts am Landgericht München I überzeugt. Sie verurteilten Giovanni V. am Mittwoch wegen Totschlags in einem minder schweren Fall zu fünf Jahren Haft. Der Hilfskoch, so die Begründung, habe seine kleine Tochter einen Tag vor ihrem Tod heftig geschüttelt, weil sie schrie und sich nicht mehr beruhigen ließ. Der 34-Jährige nahm das Urteil äußerlich völlig regungslos zur Kenntnis. Seine Frau, die im Zuschauerraum saß, hielt sich die Hände vor das Gesicht und begann bitterlich zu weinen. Sie steht trotz allem nach wie vor zu ihrem Mann.

Der Angeklagte sei ein "liebevoller Vater" gewesen, betonte der Vorsitzende Richter Michael Höhne bei der Urteilsbegründung. Doch sei er unsicher gewesen, wenn seine kleine Tochter geweint habe. Das hatte Giovanni V. auch bei der Polizei ausgesagt: Wenn sein Kind schreie, wisse er nicht, was er tun solle. Am Nachmittag des 22. Oktober 2017 sei der 34-Jährige "genervt und offenbar wütend" gewesen, weil seine Tochter nicht mehr aufhörte zu weinen, sagte der Vorsitzende. In dieser Situation habe er sich nicht anders zu helfen gewusst, als das Kind zu schütteln.

Staatsanwalt Laurent Lafleur hatte die Tat bei seinem Plädoyer anders als in der Anklage nicht mehr als Mord aus Heimtücke, sondern als Totschlag gewertet und neun Jahre Haft gefordert. Der Angeklagte habe binnen weniger Sekunden die "folgenschwere Entscheidung getroffen", seine Tochter zu schütteln. Es gebe "keine einzige andere plausible Erklärung", die gegen ein Schütteltrauma spreche. Dies habe Gutachter Oliver Peschel vom Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität festgestellt, der "seinesgleichen sucht, als Forensiker für derlei Fragen", so Lafleur.

Ob Alessia tatsächlich an den Folgen eines Schütteltraumas starb, oder ob vielleicht doch an etwas anderem wie etwa dem plötzlichen Kindstod, war das zentrale Thema in dem fast acht Monate währenden Verfahren. Gericht und Verteidigung boten jeweils sechs Sachverständige auf. Am Ende folgte die Kammer dem Rechtsmediziner Peschel.

Giovanni V.s Anwälte Antonio Agosta und Peter Guttmann forderten einen Freispruch. Guttmanns Plädoyer geriet zu einer ungewöhnlich scharfen Abrechnung mit den drei Berufsrichtern und den von der Kammer bestellten Forensikern. Er glaube, dass das Urteil längst feststehe, hatte Guttmann sein Plädoyer begonnen. Die Schlussvorträge seien somit nur noch ein "Schaulaufen", sagte er.

Er sei "persönlich sehr enttäuscht", dass nicht mehrere Sachverständige zu "speziellen Fragen" gehört worden seien. Dies entspreche nicht den Grundsätzen des "Fair Trial", legte er nach und argwöhnte zudem, dass "im Hintergrund" Gespräche zwischen der Kammer und den von ihr hinzugezogenen Sachverständigen "gelaufen sind". Guttmann ging noch weiter: "Alle vom Gericht bestellten Gutachter waren bemüht, den Angeklagten zu belasten" und seien "auf der Linie der Anklage" gewesen.

Die von der Verteidigung aufgebotenen Sachverständigen habe die Kammer "von oben herab" behandelt, sagte er. Das Fachwissen der Experten sei nicht gewürdigt worden. Letztlich habe "kein Sachverhalt" festgestellt werden können, der zu den schweren Verletzungen geführt habe, an denen die kleine Tochter seines Mandanten gestorben sei. Die für ein Schütteltrauma typischen Verletzungen fehlten.

Richter Michael Höhne wies die Anschuldigungen und Verdächtigungen als "polemisch und unerträglich" zurück. Alessias Tod sei ein "besonders tragischer Fall", sagte Höhne am Ende der Urteilsbegründung. Die Kammer habe sehr wohl bedacht, dass die Tat des Angeklagten ein "Augenblicksversagen" gewesen sei. Alessia sei dadurch jedoch ein "glückliches Leben" versagt worden. Sie sei gestorben, weil ihr Vater überfordert gewesen sei.

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