Mietvertrag endet:Die Kinos Münchner Freiheit müssen schließen

Mietvertrag endet: Eine Schwabinger Filmheimat, die es bald nicht mehr geben wird: die Kinos Münchner Freiheit und ihr Eingang an der Feilitzschstraße.

Eine Schwabinger Filmheimat, die es bald nicht mehr geben wird: die Kinos Münchner Freiheit und ihr Eingang an der Feilitzschstraße.

(Foto: Catherina Hess)
  • Der Spielbetrieb wird noch bis Ende August, womöglich auch einige Monate länger, aufrechterhalten.
  • Der Betreiber Thomas Kuchenreuther hat Insolvenz angemeldet. "Die Kinos werden Karstadt weichen", ist er sich sicher.
  • An seinen anderen Schwabinger Spielstätten will er aber festhalten.

Von Bernhard Blöchl

Continuer - Keep going" heißt einer der letzten Filmfest-Beiträge, die an diesem Samstag in den Kinos Münchner Freiheit über die Leinwand flimmern. Weitergehen, wie es der französisch-englische Titel verspricht, wird es für Thomas Kuchenreuthers Kino aber nicht mehr. 1995 eröffnet, zehn Jahre später von zwei auf vier Säle vergrößert und zur Schwabinger Kinoheimat für jährlich 170 000 Besucher herangewachsen, stehen die Kinos Münchner Freiheit nun vor dem Aus.

Zwar wird der Spielbetrieb noch bis Ende August aufrechterhalten, womöglich auch noch ein paar Monate länger. Aber der Entschluss steht fest: "Die Kinos werden leider in diesem Jahr geschlossen", sagt Kuchenreuther. Hintergrund sind das Ende des Mietverhältnisses und die zuletzt gestiegenen Mieten. Nach dem Gabriel Filmtheater an der Dachauer Straße verliert München also das zweite Kino innerhalb kurzer Zeit.

Mietvertrag endet: Aus der Tradition der Bürgerversammlungen heraus fanden in den Kinos Münchner Freiheit regelmäßig Veranstaltungen des Kulturforums der Sozialdemokratie statt, zuletzt eine Hommage an die Schauspielerin und Regisseurin Margit Saad zum 90. Geburtstag im vergangenen Juni.

Aus der Tradition der Bürgerversammlungen heraus fanden in den Kinos Münchner Freiheit regelmäßig Veranstaltungen des Kulturforums der Sozialdemokratie statt, zuletzt eine Hommage an die Schauspielerin und Regisseurin Margit Saad zum 90. Geburtstag im vergangenen Juni.

(Foto: Catherina Hess)

Während es beim Gabriel um Besucherschwund und Erbangelegenheiten des Hauses ging, das in Familienbesitz ist, ist das Ende der Kinos Münchner Freiheit eine für München doch recht typische Vermieter-Mieter-Geschichte. Auf den ersten Blick zumindest. Tatsächlich ist der Fall speziell und ein wenig kompliziert - und er hat sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet. Zunächst die Fakten zum Ende, wie sie Thomas Kuchenreuther darstellt: Im März 2020 laufe die Mietverlängerung aus, auf die er sich mit der Sedlmayr Grund und Immobilien AG München bei gleichzeitiger Mieterhöhung verständigt habe, erklärt er.

Bereits im März 2017 sei der ursprüngliche Vertrag abgelaufen gewesen. Seitdem habe er verhandelt und auf eine Zukunft gehofft. Vergeblich. "Die Kinos werden Karstadt weichen", ist sich der erfahrene Kinobetreiber sicher. Das Gebäude an der Leopoldstraße 82 beherbergt zum Großteil die Schwabinger Filiale der Warenhauskette (ehemals Hertie). Weder die Karstadt-Unternehmenskommunikation noch die Sedlmayr Grund und Immobilien AG haben sich auf Nachfragen der SZ geäußert.

Kompliziert wird die Geschichte auch deshalb, weil die Kinos Münchner Freiheit zwei Vermieter haben. Das liegt daran, dass die zwei älteren Säle im vorderen Gebäude untergebracht sind, jenem von Sedlmayr, und die zwei jüngeren im hinteren Nachbargebäude entstanden sind. Dieser Mietvertrag läuft laut Kuchenreuther noch bis 2025. Um es noch vertrackter zu machen: Der Zugang zu den hinteren Sälen - das weiß jeder, der das Kino kennt und sich über dessen Verästelung wundert - kann nur über das Foyer und damit vom anderen Gebäude aus erfolgen. Also war klar: Verliert Kuchenreuther die vorderen Räume, kann er seinen Verpflichtungen beim zweiten Vermieter, der Axa Krankenversicherung AG, nicht mehr nachkommen.

Mitte Juni dieses Jahres hat er sich deshalb für die Eigeninsolvenz entschieden. Anlass war eine städtische Nutzungsänderung jenes Gebäudes an der Leopoldstraße 82, von der er wenige Tage zuvor erfahren hatte. "Da ist mir der Boden weggezogen worden", erzählt Kuchenreuther. "Die Kinos wurden von der Stadt zur gewerblichen Nutzung freigegeben", so interpretiert er das. Tatsächlich hat die Lokalbaukommission am 4. April 2019 eine entsprechende Genehmigung erteilt. Unter anderem heißt es darin wörtlich: "Abbruch des Zwischengeschosses und Angleichung der Geschossebenen, Nutzungsänderung der Kino-, Büro-, Küchen- und WC-Flächen in eine erweiterte Verkaufsfläche mit Lagerflächen."

6 Kinos

mussten in den vergangenen zehn Jahren in München schließen: Filmcasino, Tivoli, Atlantis, Eldorado, Gabriel und nun bald die Kinos Münchner Freiheit. Hoffnung machen dagegen neue Projekte wie das Neue Maxim in Neuhausen und die jüngst teuer umgestaltete Astor Film Lounge im Arri in der Maxvorstadt.

All das spricht für eine Expansion von Karstadt. Historisch interessant ist diese Nutzungsänderung, weil sie eine alte Regelung aus dem Jahr 1994 aushebelt. Die Familie Kuchenreuther hatte damals die einstige Bürgerversammlungsstätte von der Firma Sedlmayr Spaten-Franziskaner-Brauerei gemietet und in zwei Kinosäle umgebaut. Bei der Stadt mussten die Betreiber eine entsprechende Nutzungsgenehmigung erwirken, was laut Kuchenreuther nicht einfach war, aber gelang. Aus der Tradition der Bürgerversammlungen heraus fanden in den Kinos Münchner Freiheit regelmäßig Veranstaltungen des Kulturforums der Sozialdemokratie statt, zuletzt eine Hommage an die Schauspielerin und Regisseurin Margit Saad zum 90. Geburtstag im vergangenen Juni. Auch das wird dem Publikum hier fehlen.

Eine gute Nachricht gibt es indes: Die anderen Schwabinger Kuchenreuther-Kinos sind offenbar nicht betroffen. Sowohl die kleine Arthouse-Spielstätte ABC in der Herzogstraße als auch die Leopold-Kinos bleiben den Münchner Filmfreunden erhalten. "Für beide haben wir lange Mietverträge. Wir werden sie weiterbetreiben", sagt Thomas Kuchenreuther. Dafür hat er rechtzeitig die "Leopold ABC Kino GmbH" gegründet. Und es ist schon kurios: Vor wenigen Tagen hat er für das ABC den Kinoprogrammpreis der Landeshauptstadt erhalten, beim Filmfest, im Rahmen einer Veranstaltung in der Black Box. Motto der Diskussionsrunde: "Quo vadis, Kino?" Und 2018 ist er mit dem Schwabinger Kunstpreis ausgezeichnet worden. All das zeigt den schmalen Grat zwischen der kulturellen Wichtigkeit von Kinos und dem Kampf um die Existenz.

Gleichwohl mag Thomas Kuchenreuther seinen Optimismus nicht verlieren: "Die Bereitschaft fürs Kino ist da", betont er und rechnet vor: "Wir hatten im schlechten Kinojahr 2018 in unseren Schwabinger Kinos 278 000 Besucher. Im Gegensatz zum Minus von 18 Prozent der Kinobranche erreichten wir ein Plus von 2,9 Prozent. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann mache ich mir um die Zukunft des Kinos keine Sorgen." Bei den am 24. Juli beginnenden Münchner Filmkunstwochen beteiligt sich das ABC-Kino übrigens einmal mehr, ganz konkret mit der von Kuchenreuther lange vorbereiteten Reihe "Shakespeare im Kino".

Das Studio Isabella in der Maxvorstadt ist ebenfalls bei den Filmkunstwochen dabei. Louis Anschütz und sein Team feiern in diesen Tagen einen ganz besonderen Anlass. Einen, der noch ein bisschen Hoffnung macht auf die bleibende Vielfalt der Münchner Kinolandschaft: Das Studio Isabella wird am 12. Juli 100 Jahre alt.

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