Autobauer BMW:Vierzylinder mit Aussicht

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Weltweit bekannt, beliebt und gefürchtet: Die Marke BMW ist ein Mythos. Wie der bayerische Autobauer zu einem Konzern geworden ist, von dem viele glauben, er könne nicht untergehen.

Von Caspar Busse

Schnell, sportlich: In den Sechzigerjahren kam der große Erfolg nach München - ein BMW 3,0 der Baureihe E9. (Foto: Jan Fillem / Unsplash)

Unten herrscht gepflegte Leere: Wer die Hauptverwaltung der Bayerischen Motoren Werke in München betritt, sieht - bis auf überdimensionierte runde Sitzecken und einen Empfang - fast nichts. Wer aber dann in dem runden Hochhaus aus den Siebzigerjahren, das bei allen nur der "Vierzylinder" heißt, mit dem Fahrstuhl nach oben fährt, hat einen großartigen Blick: auf Stadt und Berge, auf das Zeltdach des Olympiageländes, auf das riesige Auto-Werk, das mitten in der Stadt direkt neben der Hauptverwaltung steht, und auf die futuristische BMW-Welt. Das Auslieferungs- und Eventzentrum, vom Architektenbüro Coop Himmelb(l)au geplant und 2007 eröffnet, zieht Millionen Besucher an und ist heute die meistbesuchte Touristenattraktion Bayerns, noch vor Schloss Neuschwanstein.

BMW - die Marke ist ein Mythos, weltweit bekannt, beliebt und gefürchtet. BMW steht noch immer wie kaum ein anderes Unternehmen international für deutsche Ingenieurskunst, für Selbstbewusstsein, aber auch für eine gewisse Arroganz. Die Modelle sind bekannt für Schnelligkeit und Sportlichkeit, Raser (meistens sind es Männer), die auf der Autobahn per Lichthupe drängeln, fahren nicht selten BMW. Selbst James Bond war mal im BMW auf der Jagd gegen das Böse. Ob im Silicon Valley oder in China - wer etwas auf sich hält, mag die Marke aus Bayern.

Auch deshalb hatte der amerikanische Präsident Donald Trump BMW gleich nach seinem Amtsantritt im Januar 2017 zu seinem Lieblingsgegner gemacht und drohte BMW namentlich hohe Strafzölle. Er wolle keine BMWs mehr auf der Fifth Avenue in New York sehen, sagte er damals. Wenn Juso-Chef Kevin Kühnert öffentlich über die Kollektivierung der deutschen Industrie sinniert, dann spricht er ganz konkret von der Firma BMW. Und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter fährt einen dunklen Siebener, mit Elektroantrieb natürlich.

BMW-Vorstandschef
:Der Vermittler tritt ab

Unter BMW-Chef Harald Krüger stiegen die Absatzzahlen. Dennoch wurde er oft kritisiert: Er sei zu weich für dieses Amt, zu wenig Wegweiser. Über seine Nachfolge soll schon bald entschieden werden.

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BMW mit seinen rund 135 000 Mitarbeitern lieferte im vergangenen Jahr knapp 2,5 Millionen Fahrzeuge der Marken BMW, Mini und Rolls-Royce aus. Die Münchner sind damit im internationalen Wettbewerb eher ein Kleiner. Konzerne wie Volkswagen, Toyota oder General Motors bauen jeder vier Mal so viele Fahrzeuge im Jahr, auch Hyundai, Ford, Nissan oder Fiat Chrysler sind deutlich größer. Und doch hat BMW bis jetzt seine Position behauptet und sich ein ganz gewisses Image erhalten.

Das hat durchaus auch mit seiner wechselvollen Geschichte zu tun. BMW hat immer wieder etwas riskiert und zum Beispiel vor vielen anderen schon früh auf Elektromobilität gesetzt (auch wenn dieser Weg dann aber nicht energisch weiterverfolgt wurde). Aber bei BMW weiß man auch, wie nahe der Abgrund sein kann - und auch das ist prägend.

Zweimal schon stand BMW kurz vor dem Untergang

Die Geschichte begann vor mehr als hundert Jahren, 1916 wurden in München die Bayerischen Flugzeugwerke gegründet, das weiß-blaue Logo, das an einen Propeller erinnern soll, stammt noch aus dieser Zeit. Von 1923 an stellte das Unternehmen dann erst Motorräder her und stieg bald in den Fahrzeugbau ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der BMW 502 produziert, ein Luxusfahrzeug mit geschwungener Karosserie, das sofort den Spitznamen "Barockengel" trug, aber nur hohe Verluste einbrachte. Gleichzeitig wurde der Kleinstwagen Isetta angeboten. Beide Modelle waren nicht erfolgreich, BMW fehlten erschwingliche Mittelklasse-Fahrzeuge für die aufstrebende deutsche Kundschaft der Nachkriegszeit.

Die Verluste stiegen und stiegen, die Banken wollten kein Geld mehr geben, das Unternehmen stand kurz vor dem Aus. Am 9. Dezember 1959 kam es in München zu einer dramatischen Hauptversammlung. Der Stuttgarter Konkurrent Daimler wollte die Krise ausnutzen und sich BMW billig einverleiben. Im Hintergrund agierte die Deutsche Bank, es war bereits alles ausgemacht - eigentlich.

Ein Konzern, der nicht untergehen kann?

Doch Belegschaft und Kleinaktionäre wehrten sich leidenschaftlich, dann trat plötzlich Herbert Quandt, ein Industrieller aus Bad Homburg, auf, stieg ein, versprach neues Kapital und rettete BMW in letzter Minute, auch mithilfe der bayerischen Landesregierung. Der Münchner Autobauer konnte seine Unabhängigkeit bewahren - und positionierte sich gegen Daimler. Die Modelle wurden schnittiger, sportlicher, erschwinglicher. Eberhard von Kuenheim übernahm von 1970 bis 1993 den Vorstandsvorsitz, BMW wuchs und wuchs, nahm einen ungeahnten Aufschwung. Es wurden neue Werke gebaut, in Dingolfing und Landshut, später auch im Ausland. Der Standort Spartanburg in den USA, 1994 eröffnet, ist inzwischen einer der größten im BMW-Reich. Es kam die 3er-, die 5er- und die 7er-Baureihe, es wurden Sportwagen produziert und bullige, spritschluckende Geländewagen.

Doch es kam auch die zweite große Krise, die das Unternehmen fast in die Tiefe gerissen hätte. Die Münchner hatten 1994 den britischen Autobauer Rover übernommen, das aber entwickelte sich zu einem Debakel. Marke und Produkte passten nicht zu den Münchnern, BMW verlor Milliarden. Anfang 2000 dann wurde Rover wieder verkauft, erneut war das Unternehmen quasi in letzter Minute gerettet.

Ist BMW also ein Konzern, der nicht untergehen kann und sich immer wieder neu erfindet? Viele bei BMW glauben das. Aber heute müssen Milliarden in neue Antriebe und das autonome Fahren investiert werden. Hersteller wie Tesla haben es auf die angestammte BMW-Kundschaft abgesehen, die Konkurrenz wächst.

Die "Flamme der Begeisterung für BMW" sei von Vater und Mutter an ihn und seine Schwester Susanne Klatten weitergereicht worden, erzählte Stefan Quandt einmal. Die Quandts kontrollieren noch immer knapp die Hälfte der Anteile von BMW und gehören zu den reichsten Familien. Stefan Quandt und Susanne Klatten sitzen auch im Aufsichtsrat. Sie haben das letzte Wort - wie auch diesmal, wenn bei der nächsten Sitzung der neue Vorstandsvorsitzende bestimmt wird. Dessen Aufgabe wird es sein, den Mythos BMW zu bewahren.

© SZ vom 06.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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