Türkei:Erdoğan entlässt Zentralbankchef

Türkei: Murat Çetinkaya, bisheriger Gouverneur der türkischen Zentralbank.

Murat Çetinkaya, bisheriger Gouverneur der türkischen Zentralbank.

(Foto: AFP)
  • Der türkische Zentralbankchef Murat Çetinkaya ist seines Amtes enthoben worden.
  • Präsident Erdoğan hatte ihn wiederholt kritisiert, die Zinsen zu langsam zu senken.
  • Der Notenbankchef pochte auf die Unabhängigkeit der Institution.

Der türkische Zentralbankchef Murat Çetinkaya ist nach offiziellen Angaben am Samstagmorgen seines Postens enthoben worden. Nachfolger sei sein bisheriger Stellvertreter Murat Uysal, heißt es in einem präsidialen Dekret, das im Amtsblatt veröffentlicht wurde. Ein Grund für die Abberufung wurde darin nicht genannt.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte immer wieder Zinssenkungen von der Zentralbank gefordert, um die notleidende türkische Wirtschaft anzukurbeln. Er nahm dabei auch Bezug auf die jüngsten Andeutungen der US-Notenbank Fed. Während die Fed mögliche Zinssenkungen andeutet, "ist der Leitzins in meinem Land bei 24 Prozent", sagte Erdoğan Ende Juni vor ausländischen Journalisten in Istanbul. "Das ist inakzeptabel." Man werde "in kurzer Zeit eine endgültige Lösung dafür präsentieren". Die Türkei müsse "ihre bisherige Zinspolitik sehr vorsichtig zurückdrehen", sagte der türkische Staatschef.

Çetinkaya, dessen reguläre vierjährige Amtszeit 2020 abgelaufen wäre, hatte auf die Unabhängigkeit der Zentralbank verwiesen. Diese Differenzen hätten sich in den vergangenen Wochen verschärft, hieß es in Regierungskreisen. "Der Präsident und der Finanzminister haben seinen Rücktritt gefordert", sagte ein Insider. Doch Çetinkaya habe das abgelehnt. Ihm wird vorgeworfen, auf das heftige Absacken der türkischen Lira im August 2018 zu langsam reagiert zu haben.

Mit diesem Schritt setzt Erdoğan die neue Macht ein, die ihm das politische System seit der von ihm betriebenen Verfassungsänderung im vergangenen Jahr gewährt. Er kann nun Zentralbankgouverneure per Dekret absetzen, was zuvor nur mit Zustimmung des gesamten Kabinetts möglich gewesen wäre. Ehemalige Zentralbankchefs kritisierten, Çetinkaya hätte nur abgesetzt werden dürfen, wenn er sich illegaler Handlungen, etwa Insider-Geschäften, schuldig gemacht hätte. "Den Zentralbank-Gouverneur auf diese Weise auszuwechseln wird der institutionellen Struktur der Bank, ihren Fähigkeiten und ihrer Unabhängigkeit einen schweren Schlag versetzen", twitterte Ibrahim Turhan, ein ehemaliger stellvertretender Notenbankchef.

Die Zentralbank teilte am Samstag mit, sie werde weiter unabhängig handeln. Der neue Notenbankchef sehe die Preisstabilität als das wichtigste Ziel an.

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