Mediaplayer:Er war immer ein Westküstentyp

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Clint Eastwood in „High Plains Drifter“ (1973). (Foto: Mubi)

Der Filmsender Mubi zeigt im Juliprogramm die ersten beiden Regiearbeiten von Clint Eastwood. Zwei Highlights.

Von Fritz Göttler

Die Menschen haben die Straßen der Wunder zerstört, so eröffnet DJ Dave Garver seinen Hörern den Sommerabend, mit diesen Gedichtzeilen beginnt er sein Nachtprogramm auf dem lokalen Sender KRML: Und ihre Städte hocken herum wie schwarze Kröten. Danach erfüllt Dave aber durchaus Hörerinnenwünsche, spielt Erroll Garners "Misty", für Evelyn, die melancholische Reflexion über das Zusammensein und die Liebe. I get misty just holding your hand ... I'm too misty, and too much in love.

Clint Eastwood ist Dave Garver, in "Play Misty for Me", dem ersten Film, den er selbst inszenierte, 1971 - eben hatte er mit "Dirty Harry" seinem Studio Warner einen gewaltigen Erfolg beschert und dafür eine gewisse Freiheit für seine Projekte erhalten. "Wunschkonzert für einen Toten" hieß der Film in Deutschland, oder auch "Sadistico". Denn Evelyn, die sich "Misty" wünscht, spürt in diesem Song ihre eigene Situation, sie ist in Dave verliebt, lebt nur mit dem einen Gedanken, zu lieben und geliebt zu werden von ihm. Eine Stalkerin würde man sie heute nennen, damals gab es diesen Begriff noch nicht. Jessica Walter spielt Evelyn, poetisch ordinär, innig und hurenhaft. Dave, der sich mit ihr auf eine Sexnacht eingelassen hat, kriegt sie nicht mehr los, sie wird böse und unberechenbar, schleicht ihm nach, schneidet sich die Pulsadern in seinem Bad auf, attackiert die Menschen in seiner Umgebung. Ein unerträgliches Idyll, wenn Dave und seine Freundin in freier Natur sich aneinander drücken, nackt, unter einem Wasserfall.

Der Filmsender Mubi, der jeden Monat ein paar Handvoll ausgewählter Filme präsentiert, zeigt im Juli die beiden ersten Regiearbeiten von Clint Eastwood (der heute, ein halbes Jahrhundert später, schon wieder an einem neuen Film arbeitet), "Play Misty for Me" und "High Plains Drifter/Ein Fremder ohne Namen". Man kann in Misty sehr schön sehen, dass Eastwood, und selbst Dirty Harry, dem oft ein Macho-Etikett aufgepappt wird, ein reiner Westküstentyp ist, mit dem Hippietraum von Big Sur, Zivilisationsmüdigkeit und Überdruss an den Städten, Sehnsucht nach Freiheit und Offenheit, einem Leben an der Küste, wo das Land steil ins Meer übergeht.

"Play Misty for Me", ein Kind der Beat Poetry und des Jazz, ist in Carmel gedreht, der Heimatstadt Eastwoods, auch in dessen Haus und in der Kneipe Sardine Factory, wo Dave nach dem DJ-Dienst ein Bier trinkt und hinter der Theke der Regisseur Don Siegel steht und seltsame Spiele mit ihm spielt. Fünf Filme hat Siegel mit Eastwood gedreht, darunter "Dirty Harry" und "The Beguiled", und er hat ihn unterstützt beim Start als Regisseur. Ein home movie, das sich für einige Minuten sogar auf dem Monterey Jazz Festival herumtreibt.

Eine Stadt-Kröte gibt es im zweiten Eastwood-Film "High Plains Drifter", sie heißt Lago und von vielen Häusern stehen hier erst die Holzbalkenskelette. Dennoch: eine Stadt ohne Zukunft, weil die Vergangenheit sie belastet. Eastwood reitet hinein in diese dumpfe Spießigkeit, es gilt einen Totschlag zu rächen, bei dem ein Mann mit drei schweren Peitschen umgebracht wurde, die Bürger der Stadt schauten tatenlos zu. Eastwood wirkt jünger und verletzlicher als in ähnlichen Rollen bei Sergio Leone. Das Drehbuch stammt von Ernest Tidyman, der den schwarzen Detektiv Shaft schuf und "French Connection" schrieb. In den Gärten des Lebens ist hier nichts klar und wirklich. Aber der See, an dem die Stadt auf der Hochebene liegt, bringt doch ein lichtes Blau der Hoffnung in den Film.

Leider bringt Mubi nicht auch den dritten Film von Clint Eastwood, den ersten, in dem er nicht selbst spielte, nur Regie führte, "Breezy", eine kleine klare Westküstenliebe zwischen William Holden und der jungen Kay Lenz. Aber dafür gibt es Filme von Straub/Huillet und Bergman, Chabrol und Schlingensief, Mark Donskoi, Konrad Wolf und Xavier Beauvois.

Bis Ende Juli auf Mubi.com.

© SZ vom 08.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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