Zum Tod von Artur Brauner:Mann der tausend Augen

Artur Brauner feiert 95. Geburtstag

Seine Arbeit als Produzent war durch sein Lebensthema, die Verfolgung der Juden durch den Nationalsozialismus, geprägt: Artur Brauner im Jahr 2008 in Berlin.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Im Alter von 100 Jahren ist der legendäre Filmproduzent Artur Brauner gestorben. Schnell war er, wenn es darum ging, Zeitströmungen zu erspüren. Doch bei den beiden großen Projekten des deutschen Nachkriegskinos war er zu langsam.

Nachruf von Fritz Göttler

Es gibt eine denkwürdige, wenn auch tangenziale Beziehung, die den legendären Filmproduzenten Artur Brauner mit dem aufmüpfigen jungen deutschen Kino verbindet. Anfang der Sechziger war Alexander Kluge ein Produktionsassistent bei den Filmen "Der Tiger von Eschnapur" und "Das indische Grabmal", die Fritz Lang für Brauners Firma CCC drehte. Und danach gab Kluge die Juristerei erst mal auf und wandte sich ganz dem Filmemachen und dem Kampf um den Film zu.

Mit den Indienfilmen, und danach mit dem Film "Die tausend Augen des Doktor Mabuse", hatte Brauner dem Remigranten Fritz Lang, der vor den Nazis nach Hollywood fliehen musste, eine Chance geben wollen, in der deutschen Filmindustrie erneut Fuß zu fassen. Das misslang, nur auf einem Umweg über Frankreich und die dortige Nouvelle Vague wurde Längs Spätwerk als einer der Klassiker des modernen Kinos etabliert.

Vielen Heimkehrern aus Hollywood wie Robert Siodmak oder Gerd Oswald hatte Artur Brauner wieder Arbeit verschafft und versucht, mit ihrer technischen Kompetenz und ihren Erfahrungen ein deutsches Kino aufzubauen, das auch internationalen Standards genügen könnte. Er engagierte aber auch deutsche Filmemacher, die unter dem Nazi-Regime arbeiteten, darunter Helmut Käutner, Harald Reinl, Josef von Baky.

Er war schnell, wenn es darum ging, Zeitströmungen zu erspüren

Brauner, geboren am 1. August 1918 in Lodz, war mit Eltern und Geschwistern vor der Besetzung Polens durch die Nazis in die Sowjetunion geflohen und hatte dort in verschiedenen Verstecken überlebt. Er kam nach dem Krieg nach Berlin, mit einem Koffer voller Geld, gründete die Central Cinema Company und brachte sie mit Hunderten von Produktionen durch alle Wirren und Unberechenbarkeiten des bundesdeutschen Nachkriegskinos. Und wenn man zu Beginn eines seiner Filme das CCC Logo sah, stellte sich immer eine erregende Erwartung ein. Brauner machte alles, was erfolgsträchtig aussehen mochte, Klamotten und Musikfilme, Abenteuer ("Kampf um Rom", "Die Nibelungen"), Jugendromanzen ("Die Halbstarken"), Ehethriller ("Teufel in Seide") und Zeitgeschichte in Melodramen ("Epilog - Das Geheimnis der Orplid", oder "Die Ratten", nach Gerhart Hauptmann, "Liebling der Götter", über das Schicksal des deutschen Filmstars Renate Müller). Und er sparte die jüngste deutsche Vergangenheit dabei nie aus. Eine seiner ersten Produktionen war der Film " Morituri" (1948), der vom Überleben in einem Waldversteck während der deutschen Besetzung Osteuropas erzählte, autobiografisch, und natürlich erfolglos.

In der Vierzonenstadt Berlin hatte Brauner in den Vierzigern das Verhandeln und das Improvisieren gelernt, die Kunst der leichten, manchmal ein wenig leichtfertigen Deals, ohne die man das Kino nicht voranbringt. Von den verschiedenen Besatzungsmächten versuchte er Produktionslizenzen zu erhalten, später gab es sogar Koproduktionen mit der DEFA, in der Deutschen Produktionslandschaft war das keine Selbstverständlichkeit.

Artur Brauner war schnell, wenn es darum ging, Zeitströmungen zu erspüren, nur bei den beiden großen Projekten des deutschen Nachkriegskinos war er zu langsam. Die Rechte an den Romanen von Karl May und denen von Edgar Wallace konnte sich Horst Wendlandt vor ihm sichern. Brauner musste auf Nebenterrains ausweichen, zog durchs Wilde Kurdistan und ins Reich des silbernen Löwen, immerhin mit dem Shatterhand-Star Lex Barker und seinem Sidekick Ralf Wolter, und er nahm sich die Münchmeyer-Romane Karl Mays vor, mit der Pyramide des Sonnengottes. Und in Sachen Wallace versuchte er, die durch Fritz Lang legendär gewordene Figur des ominösen Doktor Mabuse in einer Reihe von Thrillern wiederzubeleben.

Immer wieder widmete er sich dem großen Thema seines Lebens, der Verfolgung der Juden unter dem Nazi-Regime, der Vertreibung und Flucht, dem Überleben und Widerstand, in Filmen wie "Die weiße Rose", "Charlotte", "Eine Liebe in Deutschland" (von Andrzej Wajda), und "Hitlerjunge Salomon". Mit diesem Film hoffte er einen Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film zu bekommen, - aber es langte dann nur für einen Golden Globe. Die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem ehrte ihn, indem sie eine Mediathek mit den 21 von Brauner produzierten Filmen einrichtete, in denen er die Shoah zum Thema gemacht.

Das Spektrum von Brauners Produktionen reflektiert über Jahrzehnte und durch die Genres hindurch das Dilemma des deutschen Nachkriegskinos, das auch die Filmemacher des Jungen Deutschen Films nicht lösen konnten: dass es kein Medium für direkte politische und gesellschaftskritische Botschaften ist, dass erst durch die diversen Formen des Erzählens, in den Genres immer wieder erprobt und durchgespielt, das Kino politisch werden kann. Am Sonntag ist Artur Brauner im Alter von 100 Jahren in Berlin gestorben.

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