"Neues Tanzen" in Starnberg:Schnell, fließend, präzise

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Nur wer viel trainiert, kann irgendwann so tanzen wie die Schülerinnen von Kirsten Bothe-Hufnagel. (Foto: Nila Thiel)

Profis und Anfänger präsentieren in der Schlossberghalle eine bunte Leistungsschau. In ihrer Tanzschule betreut Kirsten Bothe-Hufnagel etwa 500 Schüler

Von Ute Pröttel, Starnberg

Im Publikum ist es still geworden. Auf der Bühne stehen vier junge Frauen in blaues Licht getaucht. Ihr Auftritt übertrifft an Ausdruck und Faszination noch einmal die vielen Tanzeinlagen, die an diesem Abend in einem fulminanten Reigen über die Bühne der Schlossberghalle gegangen sind. Die Vier verkörpern den Traum vieler Mitwirkender an diesem Abend. Sie sind dabei, den Tanz zu ihrem Beruf zu machen. Tabea Antonacci, Bianca Bauer, Marie Hufnagel und Hannah Kriesmair haben in der Starnberger Tanzschule "Neues Tanzen" begonnen. Mittlerweile sind sie in ganz Europa unterwegs, studieren Tanz in Salzburg, Linz und Amsterdam, haben erste Engagements und treten im kommenden Studienjahr Stipendien in Barcelona, Lyon und Jerusalem an.

Für diesen Auftritt sind sie auf ihre Heimatbühne zurückgekehrt und zeigen die Choreographie "Root to Rise". Ihr Tanz ist modern, sehr körperbetont. Die Bewegungen sind schnell, fließend, präzise. Spielerisch füllen sie den Raum. Als die Musik schon verklungen ist, fließen ihre Bewegungen noch weiter über die Bühne, eine beinahe lautlose Illusion. Schritte und Atmung sind kaum zu hören.

Das Rüstzeug für ihren professionellen Weg haben sie in den Leistungsgruppen bei Kirsten Bothe-Hufnagel gelernt. "Ich bin wirklich stolz", sagte die Leiterin der Tanzschule bei ihrer Begrüßung, "dass einige meiner Schülerinnen trotz toller Abiturnoten nicht an Elite-Unis streben, sondern den Weg der Kunst gehen." Etwa 500 Schüler betreut Bothe-Hufnagel mit einem Team von 20 Lehrern in ihrer Tanzschule in der Starnberger Moosstraße. Gut 400 waren an diesem Wochenende in vier Vorstellungen mit von der Partie. Und während die vier angehenden Profis im Vorfeld gerade drei Mal die Möglichkeit hatten, ihre Choreografie zusammen zu üben, wurde in den verschiedenen Klassen seit Januar und an vielen Wochenenden für das Tanzevent in der Schlossberghalle geprobt.

Zwei unterschiedliche Programme präsentierten die Tänzer. In zwei Matinéen interpretierten sie "Ein Sommernachtstraum" frei nach William Shakespeare. Getanzt wurde klassisch und modern, die Szene zwischen der Elfe Titania und dem in einen Esel verwandelten Bottom übernehmen eine Ballerina und ein Breakdancer. Es ist genau diese ungewöhnliche Kombination, die viel aussagt über die Kreativität, mit der bei "Neues Tanzen" an die Sache gegangen wird. Bezaubernd sind auch die Kostüme, die Bothe-Hufnagel für dieses Stück extra hat anfertigen lassen. Und wenn die kleinen Ballett-Mäuse bei ihrem Auftritt naturgemäß nicht an die Perfektion der Leistungsgruppentänzer herankommen, dann lenken die wie tausend Sterne glitzernden Kostüme der Kleinen eben davon perfekt ab. Auch bei der Lichtinszenierung wird nichts dem Zufall überlassen.

Die beiden männlichen Hauptrollen von Lysander und Demetrius übernahmen zwei Studenten der Iwanson International School of Contemporary Dance in München. Zurück blieb beim Zuschauer ein betörender Eindruck, der noch verwirrender wirkte, als die Vorstellung am frühen Nachmittag endete, wo man doch gerade so schön in der Mitsommernacht eingetaucht war.

In zwei Abendvorstellungen präsentierten die Schüler unter dem Titel "Studiobühne 2019" den Stand ihrer Ausbildung. Für die Choreografien zeichneten die Lehrer der unterschiedlichen Klassen verantwortlich. Jazz, Modern, Contemporary und HipHop prägten das Programm. Der überwiegende Teil der Tänzer sind Mädchen und junge Frauen. Drei Leistungsgruppen bietet Neues Tanzen an, in denen teilweise bis zu acht Stunden in der Woche trainiert wird. Entsprechend hoch ist das Niveau. Dabei sind es eben auch die nicht so ganz fehlerfreien Einlagen der jüngeren oder nur einstündigen Klassen, die den Charme des Abends ausmachten. Mit besonders viel Begeisterung und Applaus wurden die Auftritte der Breakdance-Jungs bedacht. Bei viel fliegendem langen Mädchenhaar waren ihre Einlagen mit Sombrero und Holzfällerhemd eine wohltuende Zäsur.

Den Schlusspunkt des Abends setzte die ehemalige Schülerin Hannah Kriesmair mit einem Soloauftritt. Vor zwei Wochen schloss sie ihr Studium des Modern Theatre Dance an der Universität der Künste in Amsterdam mit einem Bachelor of Arts ab. Das gesamte letzte Jahr tanzte sie dort bei der Tanzcompagnie ICK. Mit 13 Jahren begann sie bei Kirsten Bothe-Hufnagel, mit 16 war sie entschlossen, ihr Hobby zum Beruf zu machen. "Tanz ist meine Lebenseinstellung," sagte die heute 22-Jährige nach ihrem märchenhaft modernen Tanz mit einem überdimensionalen Tuch aus wallender Seide.

© SZ vom 10.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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