Staatsregierung investiert:Söder will 30 Millionen Bäume pflanzen lassen

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  • Um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, will Ministerpräsident Söder 30 Millionen Bäume in den nächsten fünf Jahren in Bayern pflanzen lassen. Das sind fünf Millionen zusätzlich.
  • Die Staatsforsten sollten nicht mehr das Hauptziel haben, mit dem Wald in erster Linie Geld zu verdienen. Stattdessen sollen sie ökologischer ausgerichtet werden.
  • Die Schuldentilgung soll verlangsamt werden. In der FDP, SPD und auch in Teilen der CSU regt sich daher Kritik.

Von Wolfgang Wittl, München

Es ist viel von Nachhaltigkeit die Rede am Mittwoch in der Staatskanzlei. Ministerpräsident Markus Söder stellt einen "Klimafahrplan" vor, mit dem er die nächste Station ansteuert in seinem Bestreben, mehr für die Umwelt in Bayern zu leisten. Im Mittelpunkt diesmal: der Wald. Es gebe keine Zeit zu verlieren, mahnt Söder. Und weil wieder einmal alles mit allem zusammenhängt, gerät ein anderes nachhaltiges Ziel der Staatsregierung in akute Gefahr. Der selbst gesteckte Plan, Bayern bis 2030 von allen Schulden zu befreien, droht krachend zu scheitern. Das weiß zwar seit geraumer Zeit jeder, der sich intensiver mit der Haushaltspolitik beschäftigt. Neu daran ist allerdings das indirekte Eingeständnis auf oberster CSU-Ebene.

"Höchste Priorität" habe für ihn Klimaschutz, wie auch die Investitionen in Forschung und Zukunft, betont Söder. Bei der Schuldentilgung bis 2030 klingt er am Mittwoch nicht mehr ganz so ambitioniert. Eines der zentralen Vorhaben seines Vorgängers Horst Seehofer ist damit weitaus mehr bedroht als der schrumpfende Fichtenbestand im trockenen Franken.

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Söder spannt den großen Bogen. Die Politik stehe vor der Aufgabe, ein fossiles Zeitalter abzulösen und ein neues zu begründen. Für die Waldbewirtschaftung in Bayern kündigt Söder einen Paradigmenwechsel an. Aus einem "reinen Wirtschaftswald" soll ein "Klimawald" entstehen. Der Wald sei "unser Erbe", ihn zu erhalten die wichtigste Aufgabe. Daher soll der Staatswald künftig "nicht die Staatseinnahmen füttern, sondern CO₂-Speicher sein".

30 Millionen Bäume will Söder in den nächsten fünf Jahren in Bayern pflanzen lassen - fünf Millionen zusätzlich und unter besonderer Berücksichtigung ihrer Widerstandsfähigkeit gegen steigende Temperaturen. Gleichzeitig sollen weniger Bäume geschlagen und verkauft werden. Auch Privatwaldbesitzer will Söder fördern, damit sie das Projekt unterstützen. Zehn Prozent des Staatswaldes sollen zudem "im Sinne des Artenschutzes" stillgelegt werden. Das ist zwar bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, soll aber in der Waldinitiative umgesetzt werden. Und: Man lege besonderes Augenmerk auf die für Hochwasserschutz wichtigen Auenwälder. 2000 Hektar sollen in Neuburg bei Ingolstadt als "Naturmonument" ausgewiesen werden - nicht zu verwechseln mit einem dritten Nationalpark. Den soll es weiter nicht geben.

Entwickelt wurde das Konzept im Haus von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. Dass der Ministerpräsident es vorstellt, unterstreicht die Bedeutung. Söder sieht darin eine Richtungsentscheidung. Klar wird: Biodiversität zählt jetzt mehr als Gewinnstreben. Das ist neu, insbesondere für die zuständigen Bayerischen Staatsforsten. Das Unternehmen wurde 2005 zu Edmund Stoibers Zeiten mit dem Auftrag gegründet, "Ökologie, Ökonomie und die soziale Funktion der Wälder in der Balance zu halten". Diese Balance verschiebt sich nun eindeutig in Richtung Ökologie.

Fast 760 000 Hektar Wald bewirtschaften die Staatsforsten mit ihren 2750 Mitarbeitern, mehr als ein Zehntel der Fläche Bayerns. 372 Millionen Euro betrug der Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr. Der Gewinn lag bei gut 20 Millionen Euro, in besseren Jahren war es mehr als doppelt so viel. Aber darauf kommt es bald nicht mehr an, sehr zur Zufriedenheit von Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Er bezeichnet lang anhaltende Trockenheit, Borkenkäferplagen und Baumsterben als "Realitätsschock für die Söder-Regierung". "Grundfalsch" sei die gewinnorientierte Forstwirtschaft der Vergangenheit gewesen, kritisiert Hartmann, es brauche für die Staatsforsten "eine vollkommen neue Arbeits- und Geschäftsgrundlage".

Dass Söder sich neuen Geschäftsgrundlagen verschließe, lässt sich nicht behaupten. Neben Klimaschutz will er im Herbst ein weiteres Mega-Thema angehen: die Zukunftssicherheit Bayerns. Für unerlässlich hält er Investitionen in High-Tech, nur mit einem "Paket aus Forschung und Wissenschaft, Mittelstandsförderung und Hochschulreform" werde Bayern an der Weltspitze bleiben. Es heißt, Söder sei bereit, viele Hundert Millionen in die Hand zu nehmen. Das bedeutet, dass sich das Ziel vom schuldenfreien Bayern bis 2030 spätestens jetzt nicht mehr halten lässt - auch wenn Söder das nicht so formuliert.

Im Ebersberger Forst kämpfen Waldarbeiter gegen den Borkenkäfer. Die Fichte wird massiv von den Folgen der Erderwärmung bedroht (Foto: Christian Endt)

Es ist ein semantisches Kunststück, das er vollbringt: Söder rückt von 2030 zwar ab, gibt das Ziel aber noch nicht offiziell auf. Die Staatsregierung werde auch künftig so viele Schulden tilgen wie möglich, "aber ob es jetzt drei Jahre früher oder später kommt, das ist jetzt für mich nicht das Entscheidende". In Wahrheit dauert es beim derzeitigen Tempo etwa fünf Jahrzehnte, bis der Freistaat seine 27 Milliarden Euro Schulden abgebaut haben wird. Rückhalt bekommt Söder von Finanzminister Albert Füracker (CSU). Bayern bleibe "finanzpolitisch solide. Wir müssen jetzt kräftig investieren, damit Bayern wirtschaftlicher Vorreiter bleibt".

Auch der Koalitionspartner Freie Wähler stützt Söder. "Ein Kaputtsparen der Zukunft, um schnell Geld zurückzuzahlen, wäre der falsche Weg", sagt Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Es sei falsch, jetzt auf Investitionen zu verzichten, "die mehr Rendite abwerfen, als uns die Schulden an Zinsen kosten". Spott kommt aus der Opposition. SPD-Fraktionschef Horst Arnold sieht in Söder einen "Finanzgaukler". Die CSU habe über Jahre Investitionen in Schulen, Forschung, Wohnungsbau und Straßen unterlassen - ein "Irrweg". Die FDP mahnt, Bayern dürfe die Schuldenfreiheit bis 2030 nicht opfern, beides sei mit Blick auf die hohen Steuereinnahmen möglich: Tilgung und Investitionen. Die Haushaltsführung kranke aber an "Söders Wahlgeschenken, er ist der Nikolaus der Politiker, der für jeden ein Geschenk hat", lästert FDP-Mann Helmut Kaltenhauser.

Auch in der CSU regt sich Kritik. Der Europaabgeordnete Christian Doleschal, der sich für den Landesvorsitz der Jungen Union bewirbt, sagte dem Münchner Merkur, die Zukunftschancen der jungen Generation dürften nicht verspielt werden. Die Regierung Söder dürfe "nicht dem Gift der billigen Kredite erliegen". CSU-Haushaltspolitiker warnen vor einem "Dammbruch". Die CSU stehe für Seriosität und Generationengerechtigkeit. Die Neu-Justierung der Finanzpolitik? Man müsse sich das vorstellen wie bei einem großen Tanker, der in Hamburg ein paar Grad von der Route abweiche. "Statt in New York kommt er in Kuba an." Das sei "saugefährlich".

© SZ vom 11.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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