Meinung am Mittag: Homöopathie:Zuwendung ja, Kügelchen nein!

Homöopathie - Die Wirkung von Globuli ist umstritten

Zenit überschritten? Der Homöopathika-Absatz ging zuletzt zurück.

(Foto: dpa-tmn)

Es ist Unsinn, wenn Krankenkassen die Kosten für Homöopathie erstatten. Gleichwohl kann die seriöse Medizin etwas Wichtiges von ihr lernen.

Kommentar von Felix Hütten

Im Grunde ist die Antwort leicht zu finden, man muss nur genau lesen. Wer mal "Homöopathie" und "Krankenkasse" in einer Suchmaschine eingibt, landet schnell auf der Seite eines der bundesweit größten Krankenversicherer. Dort ist zu lesen, worum es eigentlich geht im großen Streit um Kügelchen, die nach allem, was die Wissenschaft weiß, grober Unfug sind, weil sie über den Placebo-Effekt hinaus keine Wirkung haben. Dort also ist ganz offen zu lesen: "Der Homöopath hat besonders viel Zeit."

Es ist letztlich eine Bankrotterklärung, dass Krankenkassen in Deutschland ihren Kunden Zuzahlungen für derlei Mittel versprechen, während sie an wirklich sinnvollen Dingen sparen: Brillengestelle, Reiseimpfungen oder Rollatoren sind drei oft genannte Beispiele, für die Kassenversicherte häufig selbst aufkommen müssen.

Bei der Suche nach einer Antwort kann man von der Homöopathie etwas lernen

Zwar ist die Homöopathie in Deutschland keine gesetzlich verankerte Kassenleistung, doch auch die Erstattung aus Marketinggründen erweckt den Anschein, als seien die Kügelchen vielleicht doch eine Art Medikament. Es ist daher leicht nachzuvollziehen, dass jene Ärzte, die sich der Wissenschaft und ihren Patienten gleichermaßen verpflichtet fühlen, auf die Barrikaden gehen. In Frankreich will die Regierung nun den Kassen die Erstattung untersagen.

Ähnliche Forderungen von Kassenärzten, Wissenschaftlern und Politikern gibt es seit Jahren auch aus Deutschland. Diese sind im Grunde auch alle richtig, nur fehlt oftmals ein Stück Weitsicht, wenn es um die Frage geht, warum der religiös anmutende Glaube an Placebo-Kügelchen in Deutschland derart weit verbreitet ist. Und das wohlgemerkt in einem Land, in dem Dutzende Universitätskliniken Medizin auf internationalem Spitzenniveau anbieten.

Den Alltag bestimmt eben auch ein Spardiktat. Dieses führt verständlicherweise bei vielen Menschen zu dem Gefühl, durch einen eng getakteten Medizinapparat geschleust zu werden, in dem jede Minute Geld kostet, der Patient aber wertlos ist. Oft geht es um Geschwindigkeit: Anamnese, Diagnose, Therapie - der Nächste bitte!

Doch Krankheit ist mehr als ein erhöhter Entzündungswert, Therapie mehr als ein komplexes Operationsverfahren. Menschen brauchen Ansprache, sie brauchen das Gefühl, als Individuum ernst genommen zu werden. Reden aber bringt nun mal weniger ein als operieren, doch am Ende muss ein Krankenhaus und auch ein niedergelassener Arzt wirtschaftlich arbeiten. Die Frage also, ob Krankenkassen Kügelchen oder besser Rollatoren erstatten sollten, ist im Grunde falsch gestellt.

Es geht um die Frage, wie es gelingen kann, dass Menschen wieder Vertrauen in eine wissenschaftsbasierte, aber leider oft eben auch furchtbar kalte Medizin gewinnen. Wie es gelingen kann, dass Patienten studienkontrollierte Therapien bevorzugen und dabei das Gefühl haben, verstanden zu werden, weil eine Ärztin auch mal die Zeit hat zuzuhören; weil Pflegekräfte sich kümmern, im Idealfall ausgeschlafen und ordentlich bezahlt.

Bei der Suche nach einer Antwort kann man von den Überzeugungen der Homöopathie etwas lernen: "Nicht das einzelne Symptom wird behandelt, sondern der Mensch in seiner Gesamtheit", heißt es auf der am Anfang erwähnten Webseite. Dieser Satz sollte zum Leitspruch der seriösen Medizin werden.

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