Neue Heimat:Gegrillter Pudel schmeckt am besten gut gepfeffert

Neue Heimat: Unser Autor grillt nicht oft - aber wenn dann in einer Zeremonie. Wichtig: Das Fleisch muss massiv gepfeffert sein, so dass einen die Schärfe Pfeifgeräusche machen lässt (Symbolfoto).

Unser Autor grillt nicht oft - aber wenn dann in einer Zeremonie. Wichtig: Das Fleisch muss massiv gepfeffert sein, so dass einen die Schärfe Pfeifgeräusche machen lässt (Symbolfoto).

(Foto: Robert Haas)

Unserem Autor fiel auf, dass er in München nicht erkennt, ob er Huhn, Hammel oder Hund isst. In seiner Heimat Nigeria werden immer ganze Tiere auf den Rost gelegt.

Kolumne von Olaleye Akintola

In den Garagen der Münchner stehen nicht nur große Autos: Zum Inventar gehört auch ein Verbrennungsapparat für Holzkohle. Mich erinnern diese Geräte immer wieder an die Brennöfen eines Schmieds. Es fehlt eigentlich nur noch der Kreuzschlaghammer, die Gießpfanne und der Blasebalg. Schon könnte sich der Münchner in seiner Garage eigenhändig Messer, Macheten und Erdhacken schmieden. Doch die Bewohner dieser Stadt schmieden andere Pläne.

Es ist wieder Sommer in der Stadt. Und die Münchner tragen ihren Grill ans Isarufer. Täglich, ob es einen Anlass gibt oder nicht - das ist den Isargrillern nicht wichtig. Hauptsache Fleisch kommt auf den Rost und verändert seine Farbe ins Bräunliche gehend. Die toten Tiere sind bereits fertig zubereitet und eingelegt, meist kommen sie aus einer Plastikverpackung und landen von da direkt auf dem Grill. Weil die Isargriller vorher nie genau wissen, wie viele Personen am Grillakt teilnehmen, bringen sie vorsichtshalber immer zu viel von allem mit: Bratwürste, Schweinenackensteak, Rind und Hühnchen, alles ohne Knochen und Haut. Wenn das Fleisch auf dem Rost brutzelt, bringt die Grillgemeinde ihre Freude zum Ausdruck, indem sie mit Bierflaschen anstößt.

Als ich so eine Szene zum ersten Mal live erlebt habe, kam mir der Gedanke, dass es sich hier um ein Fest handeln muss, bei dem die Leute der Göttin des Flusses Tiere opfern. Ich hatte mich getäuscht. In Nigeria findet ein Barbecue nur bei großen Feiern statt. Auf dem Grill landet dann das ganze Tier, alles, was man auch nur irgendwie verwerten kann. Zum Beispiel bei der Zeremonie eines Hunde-Barbecues. Meine Empfehlung: Früh dasein, dann bekommt man noch ein Stück vom Schenkel ab. Weniger beliebt ist beim gegrillten Hund hingegen das Knochenmark, im Abgang hat es meist eine faulige Note, selbst bei einem Pudel. Das Gute daran: Egal, was bei einer nigerianischen Grillfeier auf dem Teller landet: Man weiß immer ganz genau, was man da gerade verzehrt.

In Bayern tue ich mich mit solch einer Aussage schwer. Die Fleischindustrie hat die Waren bereits in Scheiben geschnitten und ihnen mit Soßen und Gewürzen einen ordinären Einheitsgeschmack verpasst. In Münchens Supermärkten kann man sich in den seltensten Fällen sicher über die Herkunft des Tieres sein, besonders bei einer Wurst. Wo ich herkomme, hat man hingegen gar nicht die Möglichkeit, so viel Fleisch zu grillen. Wenn dann aber mal ein Tier über dem Feuer geröstet wird, dann ist es eine wahre Freude.

Ganz wichtig ist hierbei ist die Zubereitung: In aller Regel wird das gegrillte Fleisch mit einer ordentlichen Portion Pfefferkörner serviert, der Pfeffer sollte von einem Gewürzhändler im Ort sein. Die Speise muss beim Verzehr so scharf sein, dass man sich den Rachen umgehend mit einem Getränk abkühlt. Idealerweise lässt einen die Schärfe des Pfeffers Pfeifgeräusche machen.

Mit Pfeffer haben es die Isargriller leider weniger, deswegen schmecken ihre Steaks meistens fad. Wie der Nigerianer spült aber auch der Münchner sein Gegrilltes gerne mit Bier herunter, da unterscheiden sich die Kulturen unwesentlich. Wenn sie ihr Schmiedefeuer am Ende wieder einpacken, ist die Hälfte des Grillguts noch übrig. Geleert sind hingegen sämtliche Bierflaschen.

Neue Heimat - Der andere Blick auf München
Vier Flüchtlinge, die in ihrer Heimat als Journalisten gearbeitet haben. Nach dem Porträt werden sie regelmäßig eine Kolumne schreiben. Fotografiert auf der Brücke im SZ-Hochhaus.

Der Autor: Olaleye Akintola stammt aus Nigeria. Bis zu seiner Flucht 2014 arbeitete er dort für eine überregionale Tageszeitung. Nun lebt er in Ebersberg.

Die Serie: Zusammen mit drei anderen Flüchtlingen schreibt Akintola für die SZ eine Kolumne darüber, wie es sich in Deutschland lebt und wie sie die Deutschen erlebt. Alle Folgen finden Sie auf dieser Seite. Hintergründe zu unseren Kolumnisten finden Sie hier.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

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