Schulabschluss:So unterschiedlich fällt das Abi 2019 aus

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Abiturienten in Deutschland: Schreiben sie wirklich vergleichbare Prüfungen? (Foto: dpa)

Die Prüfungen sind geschrieben, die Abiturienten feierlich verabschiedet. Doch die Ergebnisse unterscheiden sich in den einzelnen Bundesländern teils deutlich. Ein erster Überblick.

Von Bernd Kramer

Das Abitur ist der höchste Schulabschluss in Deutschland, der Schnitt auf dem Abi-Zeugnis entscheidet über Studienplätze, schon die Ziffer hintern Komma kann daher Karrieren ermöglichen oder Träume zerstören. Kein Wunder also, dass sich in diesem Jahr in manchen Ländern sogleich eine kleine Bewegung formierte, weil Schülerinnen und Schülern die Mathematik-Aufgaben als zu schwer erschienen: Es geht um was.

Inzwischen ist die Prüfungsphase vorbei, die Noten stehen fest, die Zeugnisse sind überreicht. Die SZ hat sich bei den Kultusministerien nach den Abi-Ergebnissen 2019 erkundigt. Noch haben nicht alle Bundesländer ihre Statistiken fertig, aber elf Länder konnten Zahlen nennen. Wie gut fällt das Abitur im Durchschnitt aus? Wie viele Abiturienten bestanden die Prüfung nicht - und wie viele schlossen die Schule mit einer Eins vor dem Komma ab? Der erste Überblick liefert interessante Erkenntnisse.

Ein gern gepflegtes Klischee besagt, dass die Schulen in Bayern am strengsten bewerten. Der Blick auf die Durchschnittsnoten - so man sie als Maßstab nehmen möchte - bestätigt das nicht. In Niedersachsen fallen die Abiturnoten mit einem landesweiten Schnitt von 2,56 am schlechtesten aus. Auch in Schleswig-Holstein und Bremen ist der Schnitt schlechter als in Bayern oder Baden-Württemberg. Den besten Notenschnitt unter allen Ländern, für die bis jetzt Daten vorliegen, gibt es dieses Jahr in Thüringen mit 2,18. Man muss aber auch sagen: Von den Extremen abgesehen liegen die Länder bei den Durchschnittsnoten nicht sehr stark auseinander.

Unterschiede gibt es auch, wenn man sich anschaut, wie viele Abiturientinnen und Abiturienten einen Notenschnitt mit einer Eins vor dem Komma erreichen. Besonders erfolgreich sind die Schüler demnach in Thüringen: Fast 37 Prozent aller Abiturienten kommen hier auf eine Abi-Note zwischen 1,0 und 1,9. Deutlich seltener kommen die Schüler im Saarland auf einen so guten Schnitt: Dort sind es nur 26,0 Prozent. Nur wenige Länder haben die Fragen nach dem Anteil der sehr guten Abiturienten beantwortet.

Recht drastisch sind die Unterschiede in der Frage, wie viele Schülerinnen und Schüler die Abiturprüfung nicht bestanden haben. In Thüringen waren es in diesem Jahr nur 2,3 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern lag die Quote dagegen bei 6,5 Prozent.

Eine Ahnung davon, wie unterschiedlich die Bedingungen im Abitur sind, bekommt man auch, wenn man sich die Zahlen der letzten Jahre ansieht. Die aktuellste Notenstatistik ist zwar schon zwei Jahre alt, dafür aber für alle Bundesländer vollständig. Die Zahlen werden bei der Kultusministerkonferenz gesammelt.

Für 2017 ergibt sich im Wesentlichen ein ganz ähnliches Bild wie für dieses Jahr. Im Norden fällt das Abitur schlechter aus als im Süden, den besten Schnitt und den höchsten Anteil der Abiturienten mit einer Eins-Komma-Note gibt es wieder in Thüringen. Die übrigen Länder liegen dazwischen.

Die Durchschnittsnoten sind nur minimal besser (oder auch schlechter) geworden. Größere Änderungen gab es aber bei den Abiturienten, die nicht bestanden haben. 2019 ist der Anteil der Durchfaller in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und vor allem in Berlin relativ stark gesunken.

Brauchen wir ein Zentral-Abi?

In den vergangenen Tagen kam wieder die Debatte um ein deutschlandweites Zentral-Abitur auf. "Die Vergleichbarkeit von Abschlüssen ist wichtig. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit", sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die anders als ihr Amtstitel vermuten lässt, für Schulen gar nicht zuständig ist. Sie sprang damit ihrer Kollegin Susanne Eisenmann (CDU) aus Baden-Württemberg bei (die als Landesministerin tatsächlich Schulpolitik betreibt). "Wir brauchen in Deutschland innerhalb von fünf bis zehn Jahren ein zentrales Abitur und auch für andere Schulabschlüsse zentrale Prüfungen", hatte Eisenmann zuvor gesagt. "Es muss Schluss damit sein, dass jemand einen Studienplatz nicht bekommt, weil in seinem Bundesland das Abitur schwerer war als in anderen."

Einen ersten Schritt zu mehr Vergleichbarkeit haben die Kultusminister schon unternommen. Seit 2017 können sich die Bundesländer für die Abiturprüfungen aus einem gemeinsamen Aufgabenpool bedienen. Die Prüfungsfragen werden von Experten aus allen Bundesländern entwickelt und sollen ein vergleichbares Niveau haben. Allerdings gibt es diesen Aufgabenpool derzeit nur für die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch. Wer in Biologie oder Geschichte Abi macht, bekommt derzeit garantiert keine in einem komplizierten Verfahren zwischen den Ländern abgestimmte Prüfungsaufgabe.

Der Aufgabenpool hat ein zweites Problem: Die Bundesländer sind nicht verpflichtet, sich daraus zu bedienen. Sie können weiterhin auch in Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch ihre eigenen Abitur-Klausuren konzipieren. Und Aufgaben, die sie dem Pool entnehmen, dürfen sie verändern und an die Bedingungen in ihrem Land anpassen.

Wie großzügig die Länder diese Möglichkeit nutzen, zeigt ein Papier des für den Pool zuständigen "Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen", über das die Wochenzeitung Die Zeit vor kurzem berichtete. Demnach hat zum Beispiel Hamburg im vergangenen Jahr alle Mathematik-Aufgaben aus dem Pool genommen, Baden-Württemberg dagegen nur 10 Prozent. Das erklärt womöglich auch, warum die Kultusminister in diesem Jahr trotz des länderübergreifenden Protestes gegen das Abitur im Poolfach Mathematik so unterschiedlich reagierten: Die gestellten Prüfungen waren am Ende wohl doch recht verschieden.

Gleiche Noten zählen nicht überall gleich

Die Vergleichbarkeit wird noch durch einen weiteren Punkt eingeschränkt: Es gibt jetzt zwar für einige Abiturfächer einen gemeinsamen (unterschiedlich genutzten) Aufgabenpool. Die Abiturprüfungen ganz am Ende der Oberstufe machen aber nur einen Teil der Gesamtzensur aus. Sie bestimmen nur etwa zu einem Drittel die Abschlussnote. Viel entscheidender ist, wie gut die Schülerinnen und Schüler in den Halbjahren davor waren. Und auch da gibt es von Land zu Land sehr verschiedene Regeln. Mal zählen Kurse doppelt, mal nicht; mal müssen alle Noten in die Berechnung einfließen, mal können schlechtere Zensuren ausgeschlossen werden.

"Praktisch heißt das für das Abitur: Am Ende muss es nicht nur deutschlandweit dieselben Prüfungsaufgaben geben, sondern auch einheitliche Regeln dafür, welche Fächer ins Abitur eingebracht werden", hatte Baden-Württembergs Kultusministerin Eisenmann daher gefordert.

Die Anforderungen wären dann tatsächlich vergleichbar. Ob sich die Noten zwischen den Ländern angleichen werden, ist offen: Das hängt schließlich auch davon ab, wie gut die Lehrer und die Bedingungen in den Schulen sind.

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