"Eher die Regel als die Ausnahme":Angriffe gegen Polizisten und Feuerwehrleute nehmen zu

Symbolbild Polizeiabsperrung

Ein Flatterband mit der Aufschrift "Polizeiabsperrung". Beim Einsatz in Mülheim kamen auch Hunde zum Einsatz.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Eine neue Statistik zeigt, dass die Zahl der gewalttätigen Körperverletzungen und Beleidigungen steigt. Auch im Landkreis registrieren die Verantwortlichen diesen Trend.

Von Barbara Mooser

Ein Mensch war gestorben, es war ein schrecklicher Unfall nahe dem Edeka in Ebersberg. Die Feuerwehr sperrte die Straße ab, doch das lief offenbar der persönlichen Planung eines Autofahrers arg zuwider. Er fuhr einfach durch - und rammte Feuerwehrler Uli Proske. Das war vor 15 Jahren. "Damals war so etwas eine Ausnahmeerscheinung, heute bekommen wir solche Aggressivität Tag für Tag mit", sagt der Kommandant der Ebersberger Feuerwehr. Gerade erst vor wenigen Tagen erging es einem Kollegen aus Nettelkofen wieder so wie Uli Proske damals. Doch auch die Polizei muss deutlich mehr aggressive Angriffe und Beleidigungen aushalten als noch vor ein paar Jahren. Gerade jüngere Beamte, die viel im Außeneinsatz unterwegs sind, erleben so etwas häufig, berichten Ulrich Milius, Polizeichef in Ebersberg, und Manfred Winter, stellvertretender Leiter der PI Poing.

Sie bestätigen, was Innenminister Joachim Herrmann erst kürzlich auf Bayern bezogen mitgeteilt hat: Die Gewalt gegen Polizeibeamte nimmt ständig zu. Bayernweit wurde 2018 ein neuer Höchststand an Fallzahlen und betroffenen Polizistinnen und Polizisten registriert. Eine Auswertung auf Landkreisebene liegt momentan noch nicht vor. "Gefühlt wird es jedes Jahr ein bisschen mehr", sagt Winter. Sein Ebersberger Kollege hat vor allem seit zwei, drei Jahren das Gefühl, dass sich Übergriffe und Beleidigungen immer mehr häufen.

Auch die beiden Polizeichefs im Landkreis haben schon üble Erfahrungen gemacht

Dabei haben beide Polizeibeamten auch selbst einschlägige Erfahrungen gemacht. Milius wurde das Nasenbein durch einen Kopfstoß eines rabiaten Gegenüber gebrochen. Winter konnte einem solchen Kopfstoß zwar rechtzeitig ausweichen, dafür zog er sich einmal einen Kapselriss an der Hand zu, als er im Einsatz angegriffen wurde. Doch sie schätzen die Lage ähnlich wie Proske ein: In der Vergangenheit seien das eher Einzelfälle gewesen, heute müssten die Kollegen im Außendienst durchaus mit so etwas rechnen.

"Früher war der Respekt gegenüber den Einsatzkräften deutlich präsenter", drückt es Manfred Winter aus. Gerade vor einigen Tagen wurden Poinger Polizisten beim Volksfest beleidigt, ein anderer Kollege wurde leicht verletzt, als er einen aggressiven Volksfestbesucher in Gewahrsam nehmen wollte. "Je später der Abend und je mehr Genussmittel im Spiel sind, desto geringer ist die Hemmschwelle", sagt der stellvertretende Poinger PI-Chef.

Bei manchen Situationen können die Polizeibeamten schon recht sicher damit rechnen, dass es unangenehm wird, erzählt sein Ebersberger Kollege. Etwa wenn man zu einem Bahnhof gerufen wird, weil ein Grüppchen junger Leute dort durch Ruhestörung aufgefallen ist. "Da sind Beleidigungen eher die Regel als die Ausnahme", sagt Milius.

Aber auch bei einfachen Ausweiskontrollen kann es brenzlig werden. Oft gehen dann nämlich die Kontrollierten stark "auf Tuchfühlung", wie es Milius ausdrückt. Das ist für die Polizisten - wie für die meisten Menschen - nicht nur unangenehm, es kann auch zu gefährlichen Situationen führen. Denn schon allein deshalb, weil am Gürtel die Dienstwaffe und Ausrüstungsgegenstände angebracht sind, ist ein gewisser Abstand unbedingt nötig. Und auch Stößen mit Kopf oder Knie entgeht man dann eher.

Die Polizisten setzen ihre Hoffnungen auf die neuen Body-Cams

Wie sie sich in schwierigen Situationen richtig verhalten, ohne dass die Situation eskaliert, das lernen die Polizistinnen und Polizisten im Einsatztraining. Das ist Pflichtprogramm mindestens viermal im Jahr. Beide Polizei-Führungskräfte setzen ihre Hoffnungen aber auch auf die Body-Cams, mit denen alle Polizisten im Einsatz spätestens bis September ausgestattet sein sollen. Wer aggressiv wird, muss dann damit rechnen, gefilmt zu werden. "Versuche haben gezeigt, dass ein gewisser Prozentsatz der Leute in schwierigen Situationen allein durch die Ankündigung, die Kamera einzuschalten, auf Abstand gegangen sind", sagt Winter. Er gehe daher schon davon aus, dass sich dann die Situation wieder etwas entspannt.

Bei der Feuerwehr sind solche Hilfsmittel nicht in Sicht, doch erfahrene Einsatzkräfte wie Uli Proske oder sein Grafinger Kollege Georg Schlechte haben ihre eigenen Strategien, Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen und Gefahren zu vermeiden. Wenn möglich, erzählen beide, errichten sie die Absperrungen mit Absperrbaken und Fahrzeugen so, dass kein Helfer direkt dort stehen muss. Und einen Tipp gibt Schlechte allen seinen Kollegen mit auf den Weg: Niemals Blickkontakt mit den Autofahrern aufnehmen. "Dann geht gleich die Fensterscheibe runter und die Diskussionen gehen los", hat Schlechte festgestellt. Bevor sich die Autofahrer in Rage reden können, sollen die Feuerwehrler lieber Distanz halten. "Sich an die Straßen hinzustellen, da hat niemand mehr so richtig Bock drauf", berichtet Proske, bei ihm hält man es daher ähnlich. Umleitungsschilder akzeptierten heute viele Autofahrer nicht mehr, es werde einfach daran vorbeigefahren, "wenn man dann nicht schnell zur Seite springt, hat man Pech gehabt", so der Ebersberger Kommandant.

Proskes eigenes Erlebnis mit dem Aggro-Autofahrer hatte übrigens damals eine ungewöhnliche Wendung genommen. Weil der Mann türmen wollte, schlug Proske mit seinem Helm gegen den Außenspiegel. Der brach ab, der Mann erstattete Anzeige. Vor Gericht wurde das Verfahren gegen Proske jedoch eingestellt. Für den Autofahrer gab es keine Konsequenzen.

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