Oberding:Behörde bringt zwei Straftäter in Flüchtlingsunterkunft unter

  • Die Regierung von Oberbayern hat zwei Straftäter in der Flüchtlingsunterkunft Oberding einquartiert, ohne den Landkreis oder die Gemeinde darüber zu informieren.
  • Regierungspräsidentin Maria Els entschuldigt sich für die "Kommunikationspanne".
  • Bereits im vergangenen Jahr war in Oberding ein Intensivstraftäter in Fußfesseln untergebracht worden.

Von Regina Bluhme, Oberding

"Es ist eine Schande, wie mit uns umgegangen wird", sagt Andrea Hartung, Sprecherin des Helferkreises "Starke Hände" Oberding. Nicht nur sie ist empört, dass die Regierung von Oberbayern zwei Straftäter in der Flüchtlingsunterkunft in Oberding einquartiert hat, ohne irgendjemand vor Ort zu informieren. Ausgerechnet in Oberding, wo im vergangenen Jahr ebenfalls in einer Nacht- und Nebelaktion ein Intensivstraftäter in Fußfesseln untergebracht worden war. In einem bitterbösen Offenen Brief hat sich Landrat Martin Bayerstorfer am Donnerstag an Regierungspräsidentin Maria Els gewandt. Diese entschuldigte sich für die "Kommunikationspanne".

Vor einiger Zeit schon haben Bewohner der Flüchtlingsunterkunft eine Helferin gewarnt, dass im Haus jetzt ein "böser Mann" lebe, den sie tunlichst meiden soll, erzählt Andrea Hartung. "Da haben wir uns noch nicht so viel gedacht." Ingrid Biller, einer weiteren Helferin, ist der Mann auch gleich aufgefallen, auch sie sei von Bewohnern gewarnt worden: "Geh nicht zu dem Neuen." Jetzt wissen die beiden Frauen, wer der "böse Mann" ist: Ein wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung, versuchtem Totschlags und gefährlicher Körperverletzung rechtskräftig verurteilter Mann aus dem Irak, wohnhaft in der Unterkunft seit 24. Juni. Dazu kommt seit wenigen Tagen ein zweiter Neuzugang, ein gebürtiger Nigerianer, gegen den laut Landratsamt wegen versuchter Vergewaltigung ermittelt wird. Erfahren hat es das Landratsamt Erding erst vor wenigen Tagen.

Oberdings Bürgermeister Bernhard Mücke (CSU) ist richtig sauer. Nach dem Fall vom vergangenen Jahr (der Intensivstraftäter wurde nach drei Wochen in Oberding abgeschoben) habe ihm Regierungspräsidentin Maria Els zugesagt, dass sich die Informationspolitik bessern werde und auch die Zuweisung von Straftätern nicht wiederholen werde. "Und jetzt wieder so etwas. Weder die Behörden vor Ort noch der Helferkreis hat etwas erfahren", schimpft Mücke. Er sei "bitter enttäuscht", schreibt Erdings Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) am Donnerstag in seinem Offenen Brief an Maria Els. Ohne jegliche Vorabinformation habe die Regierung von Oberbayern der Unterkunft zwei Intensivstraftäter zugewiesen - das sei ein "Schlag ins Gesicht für die Beteiligten vor Ort". Die Vorgeschichte der beiden Neuzugänge sei in einem Fall durch Mitarbeiter des Landratsamts Erding bei Akteneinsicht ans Licht gekommen. Im anderen Fall hatte das Landratsamt einen Hinweis von Seiten der Ausländerbehörde Ebersberg erhalten.

Es habe aufgrund der Vorkommnisse im Jahr 2018 "entsprechende Gespräche" mit Bayerstorfer und Mücke gegeben, bestätigt die Pressestelle der Regierung gegenüber der SZ. Vor diesem Hintergrund bedauere es die Regierungspräsidentin um so mehr, dass "die unmittelbare Information an Landrat und Bürgermeister im aktuellen Fall unterblieben ist." Wie Mücke mitteilt, hat er am Donnerstag mehrmals mit Regierungspräsidentin Els telefoniert. "Wir arbeiten an einer Lösung für beide Fälle." Wie diese Lösung aussehen kann, dazu wollte Mücke keine Auskunft geben. In wenigen Tagen wisse er mehr.

In dem Offenen Brief fordert der Erdinger Landrat auch im Namen von Mücke Regierungspräsidentin Maria Els persönlich auf, "dass Sie sofort eine anderweitige Unterbringung der beiden Straftäter in die Wege leiten". Laut Pressestelle der Regierung werde "eine Verlegung des irakischen Staatsangehörigen in einer andere Unterkunft geprüft". Über die Aufenthaltsdauer des Nigerianers entscheide die Ausländerbehörde vor Ort.

Die Unterkunft Oberding sei in Abstimmung mit dem Polizeipräsidium Oberbayern Nord "unter Berücksichtigung ausreichend vorhandener Schutzvorkehrungen ausgewählt" worden, schreibt die Regierung. Bei der Polizeiinspektion Erding allerdings wusste man von nichts, wie Stellvertretender Leiter Harald Pataschitsch bestätigt. Zu den "Schutzvorkehrungen" zählt laut Regierung auch, dass es sich in Oberding um eine reine Männer-Unterkunft handle, die am Rande eines Gewerbegebiets liegt. Der Sicherheitsdienst sei bereits seit längerem mit vier Personen rund um die Uhr tätig.

"Mir fehlen die Worte", sagt Andrea Hartung vom Helferkreis. Diese Aktion erschwere die Arbeit der Flüchtlingshelfer. Ohnehin sei der Helferkreis geschrumpft, nur noch eine Handvoll mache aktiv mit. Ingrid Biller geht regelmäßig zwei bis dreimal die Woche in die Unterkunft und kümmert sich vor allem um die Bewohner, die dort schon länger leben. "Ich bin bisher noch nie bedroht worden", sagt sie. Angst habe sie auch jetzt nicht. Hartung ist überzeugt, dass viele der Bewohner die Helferinnen beschützen würden. "Es gibt da einige, die würden ihr Leben für unser Leben geben".

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