Kolumne Media Player:Tief im Süden

Eine Südstaaten-Mörderballade von Robert Aldrich, die Rekruten in der Ausbildung in Biloxi, Mississippi, und ein Phantomschiff vor der Küste von Virginia - neue DVDs feiern die morbide Schönheit des amerikanischen Südens.

Von Fritz Göttler

Chop, chop, Sweet Charlotte, singen die Kinder, ein böses Hackebeilchenlied: Der Liebhaber der jungen Charlotte, mit dem sie davonlaufen wollte, wurde ermordet, Hand ab, Kopf ab, und Charlotte erschien danach auf dem Fest, das ihr dominanter Vater gab, mit einer Menge Blut auf ihrem weißen Abendkleid. Ein untreuer Mann muss sterben... Das war 1927, im tiefen Süden der USA: Dekadenz, Irrsinn, Pathos, Grand Guignol. Mit "Hush ... Hush, Sweet Charlotte / Wiegenlied für eine Leiche)" wollte Robert Aldrich 1964 den Erfolg seines Schockers "Whatever Happened to Baby Jane" fortsetzen, der den fiesen Schwesternkrieg zwischen Bette Davis und Joan Crawford vorführte. Davis ist wieder dabei, als Charlotte, ein halbes Jahrhundert danach, aber heftig bedrängt von den Phantomen der Vergangenheit. Der alte Familienpalast ist ein Hexenhaus, in das die kleinen Jungs des Ortes sich einschleichen müssen zur Mutprobe. Robert Aldrich gehört zu denen, die in den Fünfzigern und Sechzigern für eine Revolution gesorgt haben, er machte modernes Kino, das sich des alten Hollywood bediente, der Diven und ihrer gespenstischen Aura. Neben Davis tauchen Joseph Cotten, Agnes Moorehead, Mary Astor und Olivia de Havilland (die vor wenigen Tagen ihren 103. Geburtstag feierte) auf. Ihr knarzender Südstaatendialekt klingt wie aus einer verlorenen Zeit. Aldrich hat von seinen jungen Verehrern bei der Nouvelle Vague die Formel übernommen, dass es das Kino sei, das dem Tod bei der Arbeit zuschaue. (Filmjuwelen)

Kolumne Media Player: DVD-Cover

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(Foto: Filmjuwelen)

Ein zeitloser Cineast, Clint Eastwood, weit in seinen Achtzigern. In "The Mule" führt er Regie und tritt, erstmals nach zwölf Jahren, wieder vor seine Kamera. Der alte Earl werkelt als Lasttier für ein mexikanisches Drogenkartell, transportiert in seinem Truck Ladungen quer durch die USA, ist naiv und nicht auffällig für die Männer der Drogenfahndung. Er lebt ganz im Jetzt, züchtet Taglilien, die nur einen einzigen Tag erblühen. Einmal wird jemand von den Cops angehalten, weil er einen ähnlichen Truck wie Earl fährt, und in Panik stammelt der Mann, das seien jetzt statistisch die gefährlichsten fünf Minuten seines Lebens, von der Polizei gestoppt zu werden... (Warner)

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(Foto: Vocomo)

Das Ende des Kinos schien gekommen in den Sechzigern. Dennis Hopper drehte, nachdem er mit "Easy Rider" einen riesigen Erfolg und vom Studio für das nächste Projekt freie Hand bekommen hatte, "The Last Movie". Film im Film, eine kleine amerikanische Crew dreht einen Western in einem Kaff in Peru, Regisseur ist der unverwüstliche Sam Fuller, Hopper selbst ist Stuntman. Als die Filmleute wieder weg sind, fangen die Dorfbewohner selber an, 'Film zu machen', mit Aufnahmegeräten, die sie aus Holz nachgebaut haben. Kino als eine Wirklichkeits-, eine Lebensform. La ultima pelicola, sagt der Dorfregisseur, damit meint er mehr als ein last movie: den ultimativen Film. Die darauf folgende Anarchie lässt schon mal an den Schluss von "Apocalypse Now" denken, der eben wieder in unseren Kinos läuft und in dem Dennis Hopper durch das Chaos am Ende um Colonel Kurtz trollt. (Rapid Eye Movies)

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(Foto: Pidax)

In die Hitze des Südens geht es für ein paar Kids aus New York, nach Biloxi, Mississippi, wo sie die Grundausbildung als Rekruten absolvieren, im Jahr 1945: "Biloxi Blues", von Mike Nichols, nach dem Stück von Neil Simon. Matthew Broderick ist der junge jüdische Intellektuelle Eugene, Christopher Walken der Schleifer-Sergeant Toomey, sadistisch, zärtlich, unberechenbar. Die Geburt der Screwball-Komödie aus dem Schlagabtausch des Drills. Weil er den Kantinenfraß nicht mag, gibt Eugene vor, er müsse heute einen Feiertag einhalten. Als Toomey erwidert, er kenne alle jüdischen Feiertage, die seien nicht im Juli, erfindet Eugene El Malaguena, ein besonderes Fest, für die spanischen Juden. Der Schatten der Verlegung an die Front, des drohenden Todes liegt über allem, auch über der zarten Liebe zu einem Mädchen, das heißt wie zwei große Figuren der amerikanischen Literatur, Daisy Miller und Daisy Buchanan. Ja, man liest auch im amerikanischen Süden. (Vocomo)

Ein Schiff, das in Ketten liegt, das "Feuerschiff" in der Verfilmung der gleichnamigen Erzählung von Siegfried Lenz durch Jerzy Skolimowski. Ein Seestück, von der Ostsee nach Norfolk, an der Küste von Virginia verlegt, 1955, zehn Jahre nach dem Ende des Krieges. Klaus Maria Brandauer ist der Kapitän, sein Gegenspieler ist Robert Duvall, der nach einem Raub auf der Flucht ist. Ein parfümierter, panamabehüteter Schwuler, der irgendwie plan- und ratlos wirkt. Ein Albtraum von Erstickung und Stagnation. Skolimowskis Sohn spielt den Sohn des Kapitäns, ein Rebell ohne Grund, in roter James-Dean-Jacke. (Pidax)

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