Kurzkritik:Leidenschaft und Niedertracht

"Otello" mit Jonas Kaufmann und Anja Harteros an der Staatsoper

Von Andreas Pernpeintner

Der "Otello" ist eine bemerkenswerte Verdi-Oper. Kaum mit konzerttauglichen Arien durchzogen, ist die Handlung hochdramatisch durchkomponiert. So entsteht eine Studie über das Böse (Jago), die Unschuld (Desdemona) und die eifersuchtverseuchte Dummheit (Otello). Amélie Niermeyers Inszenierung spannt einen innenarchitektonisch durchdachten Rahmen auf, besticht mit ihrer Personenregie (auch bei den Szenen mit dem hervorragend agierenden Opernchor) und spart bei aller Beklemmung nicht mit Komik - auf welch verschlungenen Wegen ein Taschentuch als fingiertes Beweisstück für Desdemonas Untreue in Jagos Hosentasche gelangt, ist wunderbar ersonnen.

Die Staatsoper bietet für diesen Festspiel-"Otello" ihre Besten auf. Kirill Petrenko, Jonas Kaufmann (Otello) und Anja Harteros (Desdemona). Zunächst stielt Gerald Finley als Jago den beiden die Schau. Natürlich ist in der ersten Hälfte der Oper seine Rolle die interessantere. Er darf Ränke schmieden, sein geiferndes Credo der Niedertracht singen, sich später sogar zum verhassten Otello verlogen ins Bett kuscheln.

Desdemonas und Otellos Liebesgesäusel wirkt demgegenüber verhalten und leidet darunter, dass Kaufmann über eine weite Strecke in jener dynamisch zurückgenommenen Mittellage singen muss, die nicht die schönsten Farben seiner Stimme umfasst. Lieber hört man da dem Staatsorchester zu, denn wie filigran Petrenko die in dieser Szene streicherkammermusikalische Partitur wirken lässt, ist ebenso großartig wie an anderer Stelle die herbe Düsternis, bei der Petrenko keine mildernden Konzessionen gestattet. Es ist der vierte Akt mit Desdemonas stiller Verzweiflung, Otellos Rachsucht, seinem Mord an Desdemona und der anschließenden Erkenntnis seiner Idiotie, in dem Harteros und Kaufmann ihr betörendes sängerisches Darstellungsvermögen zeigen. Dann erklingt ein Geburtstagstusch und Intendant Nikolaus Bachler beehrt den theaterblutverschmierten Kaufmann zum 50. Geburtstag mit der Meistersinger-Medaille. Charmant und würdig.

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