Ende der Reise:Schützt die Urlaubs-Nostalgie!

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Welterbe ist eine Art Label, ungefähr so wie Münchner Weißwurst oder Champions League. Beide ziehen die Massen stark an.

Von Dominik Prantl

Vor einigen Tagen hat das Unesco-Welterbekomitee die Montanregion Erzgebirge/ Krušnohoři und das Augsburger Wassermanagement-System in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Für Montanregion und Augsburger Wassermanagement-System ist das ein großer Schritt, weil sich über das Welterbe niemand lustig macht - außer Defätisten und Kulturpessimisten vielleicht, die sowieso nur ständig darüber jammern, dass es bald nichts mehr zu erben gibt. Unter den meisten Menschen aber ist Welterbe heutzutage ganz schön angesagt, vor allem dann, wenn Unesco draufsteht. Wenn man in einem Gespräch beispielsweise erklärt, dieses oder jenes Ding sei ein Weltkulturerbe, dann sagen die Gesprächspartner so etwas wie "uiuiui". Oder: "Toll. Das ist auch gut so." Jedenfalls hat man als Welterbe oft nicht nur Ruhm und Ehre sicher, sondern auch jede Menge Touristen.

Deshalb ist Welterbe inzwischen eine Art Label, ungefähr so wie Münchner Weißwurst oder Champions League, die beide die Massen anziehen. Zugleich sind sie - wie bei Labeln üblich - insbesondere von Amateuren mit Vorsicht zu genießen, weil möglicherweise zu wenig München oder sogar Schalke drinsteckt. Ganz ähnlich ist das auch beim Welterbe. Von dem gibt es inzwischen Unterkategorien wie das sogenannte "immaterielle Welterbe", wobei dem Laien nicht wirklich klar ist, ob da nun Unesco draufstehen darf, und erst recht nicht, wo genau Unesco drinsteckt. In Deutschland gehört zum immateriellen Kulturerbe unter anderem der "Rheinische Karneval" und das "Forster Hansel-Fingerhut-Spiel", das "Finkenmanöver im Harz" und der "Poetry-Slam im deutschsprachigen Raum", der auch im deutschsprachigen Raum Poetry-Slam heißen darf. Sogar das Märchenerzählen ist immaterielles Kulturerbe und damit bewahrenswert.

Noch viel mehr sollte man sich aber darüber wundern, dass zwar nur zu gerne alles Erdenkliche für einen florierenden Tourismus unter Schutz gestellt wird, aber nicht die Errungenschaften und Eigenheiten des Tourismus' an sich. Dabei gäbe es hier jede Menge Welterbe-Kandidaten: Die Postkarte zum Beispiel, die durch den digitalen Siegeszug beinahe lautlos von Instagram und Messaging-Diensten überrollt wurde. Der Sandburgenbau mit allen Höhen und Tiefen, den heute aber kein Kind mehr beherrscht, weil alle nur auf einer Sandburgenbau-App rumdaddeln, während die Eltern ihre Kinder beim Sandburgenbau-App-Daddeln fotografieren. Die ADAC-Straßenkarte, die sich ebenso wie das ziellose Umherirren durch italienische Altstädte in Google Maps aufzulösen droht. So könnte man die Liste vom Papierflugticket über den inzwischen vom Aussterben bedrohten Hotel-Lockvogel an griechischen Fähranlegern endlos weiterführen - bis hin zu der Frage, ob nicht endlich auch die Urlaubsnostalgie als immaterielles Weltkulturerbe von der Unesco unter Schutz gestellt gehört, direkt neben dem Kulturpessimismus.

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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