Juventus Turin:Ronaldo und die teuren Talente

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Juventus folgt ihm: der fünfmalige Weltfußballer Cristiano Ronaldo (rechts). (Foto: Marco Bertorello/AFP)
  • Früher war Juventus für Sparsamkeit bekannt, doch inzwischen geben die Bianconeri deutlich mehr als die italienische Konkurrenz aus.
  • Für den Traum vom Champions-League-Titel sollen immer mehr junge Talente geholt werden - gerade Matthijs de Ligt für 70 Millionen.
  • Ob da noch genügend Platz für die altgedienten Spieler - wie Sami Khedira - bleibt, ist fraglich.

Von Birgit Schönau, Rom

An Cristiano Ronaldo haben sich die Juventus-Fans so schnell gewöhnt wie an das Einheimsen von Meistertiteln. 35 Titel sind und bleiben es, so hat es gerade zum x-ten Mal ein Verbandsgericht entschieden, bei dem der Klub versucht hatte, wenigstens einen der beiden Titel zurück zu ergattern, die ihm 2005 und 2006 wegen Schiedsrichtermanipulation aberkannt worden waren. Der Stachel sitzt tief, und im eigenen Stadion sind denn auch 37 Meisterjahre aufgelistet, die letzten acht in Serie. Man weiß nicht so genau, wie CR7 rechnet, sehr wahrscheinlich in Champions-League-Titeln, von denen er deutlich mehr (fünf) gewonnen hat als Juve (zwei), weswegen der Portugiese ja auch im Vorjahr nach Turin geholt wurde. Damals standen die Tifosi Kopf, diesmal sind nur etwa 300 zum ersten Training des Angreifers nach dem Urlaub erschienen.

Die Sensation heißt nun Matthijs de Ligt und wird im August 20 Jahre alt. De Ligt kommt gegen eine Zahlung von 70 Millionen Euro von Ajax Amsterdam - als weiterer Beweis für die Obsession von Juve-Präsident Andrea Agnelli. Für den ersehnten Triumph in der Champions League hat er jetzt schon im zweiten Jahr den wichtigsten Spieler jenes Gegners eingekauft, der Juve in der vergangenen Saison aus dem Turnier kegelte. 2018 Cristiano Ronaldo von Real Madrid, 2019 den jungen de Ligt von Ajax. Geld scheint dabei so gut wie keine Rolle mehr zu spielen. Sicher ist der Klub vom Neymar-Wahnsinn weit entfernt - aber eben auch von den bescheidenen Transferbewegungen der italienischen Konkurrenz.

Wer kommt noch?

Früher einmal waren die Turiner als Preußen Italiens für Sparsamkeit bekannt, doch in der kommenden Saison könnte sich die Summe der Gehälter auf knapp 300 Millionen Euro belaufen. Zum Vergleich: Vor vier Jahren waren es noch 120 Millionen. Den Löwenanteil bekommt CR7, an den 31 Millionen netto ausgezahlt werden müssen. Mit zwölf Millionen Euro ist de Ligt angeblich die Nummer zwei auf der Liste - Rekordsumme für einen erst kürzlich der Jugend entwachsenen Abwehrspieler. Ronaldo soll ganz massiv an dem Transfer gedreht haben, indem er den Niederländer beim Nations-League-Finale ostentativ nach Turin eingeladen hat.

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Neben de Ligt sollen noch andere Talente den Kader erneuern, etwa der 20-Jährige Verteidiger Luca Pellegrini von der AS Roma. Wie man hört, verzehrt sich auch Federico Chiesa, 21-jähriges Offensivtalent des AC Florenz und neben Juve-Eigengewächs Moise Kean die große Hoffnung der Squadra Azzurra, nach der alten Signora. Chiesa will kommen, die Juve will ihn holen, nur der neue italo-amerikanische Besitzer der Fiorentina ziert sich noch und behauptet, der Spieler sei unverkäuflich; erst recht für die in Florenz leidenschaftlich gehasste Juve. Aber solche Prinzipientreue kann sich in Italien schon lange niemand mehr leisten. Auch Inter Mailands Ex-Kapitän Mauro Icardi könnte noch bei Juve anheuern: Sag' niemals nie.

Schließlich sollte ja auch Gonzalo Higuaín, der in Neapel als Nachfolger Maradonas verehrt wurde, nie, nie, nie nach Turin wechseln. Bis es im Sommer 2016 für 90 Millionen Euro doch möglich wurde. Nach Leiharbeiter-Einsätzen beim AC Milan und beim FC Chelsea ist der Argentinier nun zurück - und womöglich ziemlich überflüssig. In Turin findet er zwar seinen alten Trainer Maurizio Sarri wieder, der ihn in Neapel und London betreute, und auch nie, nie, nie zur Juve gehen wollte. Jetzt ist Sarri da, kann aus dem Vollen fischen, und Higuaín ist weit von seiner Topform entfernt. So treffen sich die beiden Ex-Neapolitaner, die sie nun unterm Vesuv als "Cori 'Ngrati" (undankbare Herzen) abgrundtief verabscheuen, ausgerechnet beim einstigen Erzfeind Juve wieder, um schnellstmöglich auseinanderzugehen.

Sarri passt auch auf den zweiten Blick nicht zu Juve

Sarri gehört nicht zu Europas Startrainern, hat aber mit Chelsea gerade die Europa League gewonnen und damit jene internationale Erfahrung, die seinem Vorgänger Massimiliano Allegri abgeht. In fünf Jahren bei Juve hatte Allegri fünf Meistertitel und vier Pokale gewonnen - und zwei Champions-League-Finals verloren. Zuletzt fehlten Klub und Coach wohl die Motivation für die nächste, gemeinsame Runde. Der neue Trainer verkörpert auf den ersten und auch auf den zweiten Blick nichts von dem, was mal den stile Juve ausmachte, jenen etwas blasierten Juventus-Stil, der strenge Disziplin mit weltläufiger Eleganz vereinte. Zwar hat Sarri bei offiziellen Auftritten schon mal brav dem Trainingsanzug zugunsten des obligatorischen Anzugs abgeschworen. Ob er aber auch seinen mitunter flegelhaften Umgangston verbessern kann, wird man sehen. Ganz bestimmt wird Juve nicht an der Nachhilfe sparen.

Dem rustikalen Trainer steht überdies ein altbekannter Lebenskünstler und Charmebolzen zur Seite: Gigi Buffon ist zurück aus Paris. Lieber im Heimatklub die Nummer zwei sein als beim Glitzerverein St. Germain, zumal so viel Treue mit 1,5 Millionen ordentlich entlohnt wird. Kapitän ist jetzt Giorgio Chiellini, der gerade für seinen zweiten Master büffelt, hingegen wird ein anderer Juve-Veteran wohl gehen müssen. Sami Khedira überzeugt den Trainer Sarri nicht, der findet ihn zu langsam und zu berechenbar für sein Offensiv-Spiel. Zahllose Verletzungsausfälle machten Khedira in seiner vierten Saison bei Juve zu schaffen; er brachte es nur auf 17 Einsätze. Angebote der beiden Istanbuler Vereine Fenerbahçe und Besiktas hat der deutsche Ex-Nationalspieler angeblich abgelehnt. Im Piemont fühlt sich Khedira überaus wohl, die professionell-unaufgeregte Atmosphäre im Klub, gepaart mit der leicht melancholischen Eleganz der Stadt kommen ihm entgegen. Von Turin aus betrachtet, scheint Istanbul auf einem anderen Planeten zu liegen.

© SZ vom 17.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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