Artenvielfalt:Die Bienen-Revolution von Bayern

Artenvielfalt: Mit "Rettet die Bienen" war das Volksbegehren plakativ überschrieben - tatsächlich ging es darin um viel mehr: um die Artenvielfalt in Bayern.

Mit "Rettet die Bienen" war das Volksbegehren plakativ überschrieben - tatsächlich ging es darin um viel mehr: um die Artenvielfalt in Bayern.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)
  • Der Landtag hat den Gesetzesentwurf des Volksbegehrens für Artenvielfalt angenommen - und dazu weitere Maßnahmen für die Bauern wie für den Naturschutz beschlossen.
  • Fast ein Fünftel der bayerischen Bürgerinnen und Bürger hatte die Initiative im Winter unterschrieben.
  • Dies setzte die Koalition aus CSU und Freien Wählern unter Zugzwang. An einem runden Tisch mit den betroffenen Verbänden wurde schließlich ein Kompromiss gefunden.

Das Bienen-Volksbegehren ist nun offiziell Gesetz in Bayern: Der Landtag hat am Mittwoch mit großer Mehrheit die Initiative für mehr Artenvielfalt angenommen, flankiert von einem sogenannten "Versöhnungsgesetz". Mit diesem kommt die Landtagsmehrheit nicht nur den Bauern entgegen, indem darin einige ihrer Kritikpunkte am Volksbegehren aufgegriffen werden. Auch enthält das Gesetz diverse weitergehende Maßnahmen, die den Naturschutz in Bayern verbessern sollen. Im Februar hatten mehr als 1,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger das Volksbegehren für Artenvielfalt unterschrieben. Es ist damit das erfolgreichste in der Geschichte des Freistaats.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dessen Partei sich lange gegen die Initiative gestellt hatte, nannte die Reform am Mittwoch unverzichtbar. "Das Volksbegehren war kein Betriebsunfall, es ist eine Richtungsentscheidung zu einer modernen, nachhaltigen Agrarökologie, die tatsächlich die Herausforderungen von Artenschwund und Klimawandel aufnimmt", sagte Söder. Die Staatsregierung habe den "Impuls" des Volksbegehrens aufgegriffen, da dies zu ihrer Führungsaufgabe gehöre. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann sprach von einem großen Tag für den Arten- und Naturschutz in Bayern und einem großen Tag für die direkte Demokratie. Das Gesetzespaket sei nämlich nicht der Weitsicht der Regierung zu verdanken, sondern der Weitsicht der Menschen in Bayern, die sich mehr Arten- und Naturschutz gewünscht hätten. 167 der knapp 200 anwesenden Abgeordneten stimmten für das Volksbegehren.

Was sie am Mittwoch beschlossen haben, kommt einer Revolution im Artenschutz gleich. Und diese Revolution dauerte am Ende weniger als ein halbes Jahr. Das Gesetz "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern - Rettet die Bienen", wie das Volksbegehren offiziell hieß, hat nicht nur für die Insekten und Bauern im Freistaat viele Konsequenzen. Auch das Verhalten privater Balkon- und Gartenbesitzer dürfte sich durch die gesellschaftliche Debatte rund um das Volksbegehren dauerhaft verändert haben.

Sitzung des bayerischen Landtags

Agnes Becker, die Sprecherin des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" bei der Landtagsdebatte zur Artenvielfalt im Mai.

(Foto: dpa)

"Fairerweise müssen wir sagen, dass jetzt mehr umgesetzt wird, als wir uns selbst am Anfang erwartet haben", sagte die Initiatorin des Volksbegehrens, Agnes Becker (ÖDP). Die Annahme des Volksbegehrens sei der offizielle Abschluss und ein wichtiger Baustein für den Artenschutz, "aber da muss noch viel mehr folgen". Die ÖDP sitzt nicht im Landtag, Becker durfte am Mittwoch also nicht mitstimmen. Das sei schade, sagte sie, angesichts der außerparlamentarischen Opposition habe die ÖDP aber ihren Oppositionsauftrag "mustergültig erfüllt". Und auch wenn die erste Euphorie über den Erfolg inzwischen verflogen sei, wüssten alle Beteiligten, dass hier etwas "Historisches" gelungen sei.

Das Volksbegehren Artenvielfalt hatte im Januar eine nie da gewesene Rekordbeteiligung erreicht und damit die schwarz-orangefarbene Staatsregierung von Ministerpräsident Söder massiv unter Zugzwang gesetzt. Am Ende forderten mehr als 1,7 Millionen Menschen mit ihren Unterschriften einen stärkeren Natur- und Artenschutz - also fast jeder fünfte Wahlberechtigte in Bayern. Angesichts dessen rief Söder kurzerhand einen runden Tisch ins Leben, der zwischen den Interessen der Artenschützer und der Bauern vermitteln sollte. Mit Erfolg: Unter der Leitung des früheren Landtagspräsidenten Alois Glück (CSU) einigten sich alle Beteiligten - auch die Bauern - darauf, die Forderungen aus dem Volksbegehren zu übernehmen und ein "Gesamtgesellschaftliches Artenschutzgesetz - Versöhnungsgesetz" auf den Weg zu bringen, das unter anderem einen finanziellen Ausgleich für die Bauern vorsieht. Dieses Begleitgesetz entkräfte und verändere das ursprüngliche Volksbegehren, argumentiert die AfD-Fraktion. Sie kündigte am Mittwoch deshalb eine Verfassungsklage dagegen an.

Nicht wenige Landwirte fürchteten und fürchten infolge strengerer Artenschutzvorgaben bei der Pflege ihrer Äcker oder Obstbäume um ihre Existenz. Unter anderem sollen künftig Biotope besser vernetzt und kartiert, Gewässerrandstreifen besser geschützt und der Anteil des ökologischen Anbaus deutlich erhöht werden. Für die CSU war dies eine komplizierte Situation. Auf der einen Seite konnte sie die 1,7 Millionen Unterschriften nicht ignorieren, auf der anderen Seite versteht sich die Partei traditionell als Vertreterin der Bauernschaft. Dass diese sehr unterschiedlichen Ansätze am Ende in nur einem halben Jahr in ein Gesetz mündeten, mit dem beide Seiten leben können, war tatsächlich nicht absehbar.

Indem Söders Koalition aus CSU und Freien Wählern nun den Entwurf des Volksbegehrens angenommen hat, geht sie einem Volksentscheid aus dem Weg. Für Initiatorin Becker hat Söder hier einen wichtigen Beitrag geleistet. Ohne seinen Einfluss hätte die CSU-Landtagsfraktion nie für das Volksbegehren gestimmt, sagte sie. "Söder hat verstanden, dass er die CSU-Betonpolitik der vergangenen Jahre nicht weiterführen kann, denn die Bevölkerung ist hier schon lange weiter als die CSU." Als politischer Stratege habe er seine Partei zwar auf Kurs gebracht, die grundsätzliche Dimension und Bedeutung des Artenschutzes sei in der Partei aber noch nicht durchgedrungen.

Bauernpräsident Walter Heidl sagte, entscheidend seien Lösungen, die Bienen und Bauern gleichermaßen gerecht würden. Der Bauernverband habe zuletzt bei vielen Veranstaltungen und Gesprächen mit Politikern versucht, "bäuerliche Anliegen und Erfahrungen in die Diskussion rund ums Volksbegehren einzubringen und der Landwirtschaft Gehör zu verschaffen". Wie groß die Unterstützung in der Bevölkerung für den Artenschutz weiterhin ist, zeigte jüngst eine Umfrage im Auftrag des Landesbundes für Vogelschutz (LBV): 76 Prozent der 1022 Befragten gaben noch im Juni an, die Ziele des Volksbegehrens weiterhin zu unterstützen.

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