Universitäten:Vor der Warnung wird gewarnt

Besonders an amerikanischen Universitäten ist es inzwischen üblichen, Studenten vor manchen Inhalten vorab zu warnen. Aber schützen solche Trigger Warnings wirklich? Psychologen bezweifeln das.

Von Bernd Graff

Zu den Errungenschaften der Zivilisation gehört, dass Warnungen ausgesprochen werden, wenn etwas für Andere als gefährlich eingestuft wird. Soweit, so empathisch, so zivilisatorisch positiv. Doch nicht alles ist auch für alle gleich schädlich. Eine Flasche Bier mag für einen Erwachsenen harmlos sein, für einen Säugling ist sie es sicher nicht. Muss man darum jedes Bier mit der Warnung versehen, es nicht als Babynahrung zu verwenden?

Gefahr und Schaden sind also manchmal sehr weiche Begriffe, davor, dass das Leben tödlich endet, hilft ja leider keine Warnung. Was ist zu tun? Wovor soll, muss, kann man warnen? Konfusion darüber herrscht an vielen, vorwiegend angelsächsischen Universitäten und Colleges. Hier gibt sogenannte Trigger Warnings. Damit sind Warnungen vor Auslösereizen gemeint, die bei Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD) die ungewollte, selber wieder traumatische Erinnerung an die für sie lebensbedrohlichen Situationen hervorruft oder triggert. Vor allem gesellschaftswissenschaftliche Fakultäten führten Warnhinweise vor solchen Lehrstoff ein, der verstören könnte. Eine Umfrage von "NPR", des öffentlichen Rundfunks in den USA, ergab 2016, dass die Hälfte des Lehrkörpers von US-Universitäten und -Colleges solche Warnings einsetzt.

Sie gibt es für alle möglichen Inhalte und lauten etwa: "Die Stelle, die Sie gleich lesen werden, enthält verstörende Inhalte und kann eine Angstreaktion auslösen, besonders bei Personen mit einer Vorgeschichte an Traumata." Was aber lösen nun solche Trigger Warnings selber aus?

Damit beschäftigten sich die Harvard-Psychologen Payton Jones, Benjamin Bellet und Richard McNally in zwei Studien der Jahre 2018 und 2019. In der ersten kommen sie zu dem auch erstaunlichen Befund: "Trigger Warnings erhöhen die Angst vor als schädlich empfundenem schriftlichem Material." Trigger Warnungen triggern Angst, heißt das wohl.

Da man ihrer Studie damals vorhalten konnte, sie habe Studenten generell untersucht und nicht nur solche mit post-traumatischen Belastungsstörungen, haben die drei Forscher ihre Untersuchung nun ausschließlich mit PTSD-Patienten wiederholt. Mit fast demselben Ergebnis: "Trigger Warnungen sind Patienten keine Hilfe. Wir können nicht genau sagen, wann sie ausdrücklich schaden. Das spielt auch keine Rolle. Da Trigger Warnungen niemals helfen, gibt es keinen erkennbaren Grund, sie einzusetzen." Sollte man nicht künftig diesen Befund allen Trigger Warnings zur Warnung vorschalten?

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