Poker-WM:"Ich sammle Wunschzettel"

Poker-WM: Die Sonnenbrille ist gewissermaßen das Sportgerät des Deutsch-Iraners Hossein Ensan: Er ist Pokerspieler, neuerdings der beste der Welt.

Die Sonnenbrille ist gewissermaßen das Sportgerät des Deutsch-Iraners Hossein Ensan: Er ist Pokerspieler, neuerdings der beste der Welt.

(Foto: John Locher/AP)
  • Seit Mittwoch ist ein 55-jähriger Deutsch-Iraner, der in Münster lebt, neuer Weltmeister im Pokern.
  • Er gewann zehn Millionen US-Dollar und ein goldenes Armband.
  • Nein, sagte er im US-Fernsehen, er wisse noch nicht, was er mit dem Geld anstellen werde.

Von Raphael Späth

Als es vorbei war, stand Hossein Ensan inmitten seiner Fans, er wirkte sehr ruhig, lächelte ein wenig, und er trug noch seine Sonnenbrille. Die Sonnenbrille ist wichtig, sie ist sozusagen sein Sportgerät, denn Hossein Ensan ist Pokerspieler. Seit Mittwoch ist er, der 55-jährige Deutsch-Iraner, der in Münster lebt, neuer Weltmeister im Pokern. Unglaublich sei das, er könne das noch gar nicht begreifen, sagte Ensan dem amerikanischen TV-Sender ESPN, "ich muss schlafen gehen und vielleicht realisiere ich, wenn ich aufwache, dass ich das Armband gewonnen habe". Was man halt so sagt, wenn man gerade zehn Millionen Dollar gewonnen hat. Und, ach ja: ein goldenes Armband.

Die WM ist das Hauptevent der World Series of Poker, sie fand in diesem Jahr zum 50. Mal statt, in Las Vegas, dabei wurde die zweithöchste Siegprämie bislang ausgespielt; 2006 hatte der damalige Sieger sogar zwölf Millionen Dollar kassiert. Es gab schon mal einen Deutschen, der zum besten Pokerspieler der Welt aufstieg, 2011 gewann Pius Heinz, er bekam damals immerhin 8,7 Millionen Dollar. Hossein Ensan hat schon einmal viel Geld beim Pokern gewonnen, das war 2015, damals siegte er bei einem Turnier in Prag und bekam 750 000 Euro. Danach wurde er gefragt, was man in solchen Momenten immer gefragt wird: Was er mit dem Geld machen würde? Er sagte: "Vielen eine Freude. Ich sammle Wunschzettel." Ensan ist in der Szene dafür bekannt, sein Glück gerne zu teilen.

"Du kannst kein Turnier gewinnen, wenn du aggressiv bist"

Und jetzt also: zehn Millionen. Nein, sagte er im US-Fernsehen, er wisse noch nicht, was er mit dem Geld anstellen werde.

Pokern ist ein Sport, in dem es naturgemäß vor allem darum geht, ums Geld. Sieger wird, wer möglichst viele Chips sammelt, wie im Hinterzimmer-Poker auch. Die Besten verdienen ziemlich gut: Vor diesem Turnier in Las Vegas, das zehn Tage dauerte, stand Hossein Ensan auf der Liste der Spieler mit dem meisten Preisgeld lediglich auf Platz 590 - dank des Weltmeistertitels und der zehn Millionen kommt er jetzt nahe an die Top 50 heran. "Du kannst kein Turnier gewinnen, wenn du aggressiv bist": Das hat Ensan nach seinem Sieg in Prag gesagt. So wirkt Ensan in der Tat, wenn man ihm im Fernsehen beim Spielen zuschaut: ruhig, fast schon zurückhaltend. In der Pokerszene wird der Deutsch-Iraner für seine Fairness geschätzt. Geboren wurde er in Iran, seit 1990 lebt er in Deutschland; er ist der älteste Poker-Weltmeister seit 20 Jahren. "Ich spiele seit 2002 Texas Hold'em. Erfahrung ist hier wichtiger als reines Rechenspiel", sagte er vor der Finalrunde. Seit sechs Jahren ist er Profi, bis dahin arbeitete er als Teppichhändler in Münster, seiner "zweiten Heimat", wie er betont. Dass er es bis ins Finale schaffen würde, damit hatte kaum jemand gerechnet.

Der Spielbetrieb musste wegen Erdbeben im Westen der USA unterbrochen werden

Das Teilnehmerfeld war mit 8569 Spielern das zweitgrößte in der Geschichte. In der ersten Runde, die allein vier Tage dauerte, erinnerten die Spielhallen im Rio All-Suite Hotel and Casino, so berichten Teilnehmer, mehr an einen Basar als an eine professionelle Weltmeisterschaft. Dazu musste der Spielbetrieb durch die Erdbeben im Westen der USA mehrmals unterbrochen werden. Den entscheidenden Vorsprung erarbeitete sich Ensan in der siebten Runde kurz vor dem Finale, als er sich im Stechen gegen den Amerikaner Timothy Su einen großen Vorsprung erspielte.

Die ganze Zeit über hatte Ensan eine Art Fanklub in Las Vegas dabei: Freunde aus aller Welt, wie er sagte. Sie hatten extra T-Shirts drucken lassen, mit der Aufschrift "It's a sure bet with Hossein Ensan", wer auf Hossein Ensan setzt, macht alles richtig. Sie harrten aus bis zum Schluss, bis er es gegen zwei Uhr morgens Ortszeit tatsächlich geschafft hatte. Im Finale besiegte er den Italiener Dario Sammartino, der wegen Ensans großem Vorsprung keine andere Möglichkeit hatte, als zu tun, was Pokerspieler eben tun, wenn es drauf ankommt: Sammartino ging "All in". Er setzte alles auf eine Karte. Vergeblich.

Das entscheidende Blatt: Ensan hatte Herz- und Kreuz-König auf der Hand, Sammartino lediglich eine Pik-acht und eine Pik-vier. Der Italiener bluffte, Ensan erhöhte und zwang seinen Gegner somit zum "All in". Der Italiener hätte für den Gewinn ein Pik oder eine Sieben gebraucht, die Croupière legte aber eine Kreuz-Dame auf das Board, und der Fanklub jubelte. Der Teppichhändler ist jetzt Millionär.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: