"Stena Impero":Vorsorgliche Entführung

  • Neue Zwischenfälle im Golf: Revolutionsgarden haben gefilmt, wie sie das britische Schiff "Stena Impero" aufbringen - eine genau dokumentierte Provokation.
  • Die Iraner signalisieren, dass sie den Streit um die Wirtschaftssanktionen weiter eskalieren können.

Von Paul-Anton Krüger

Maskierte Soldaten der Revolutionsgarden seilen sich von einem Mi-17 -Hubschrauber ab, wie in einem Agentenfilm. Schnellboote mit starken Außenbordmotoren umkreisen den unter britischer Flagge fahrenden Tanker Stena Impero. Aus mehreren Perspektiven wird gefilmt, wie iranische Spezialeinheiten das einer schwedischen Reederei gehörende Schiff in der Straße von Hormus aufbringen. Die Videos haben die Nachrichtenagenturen Fars und Tasnim veröffentlich, die enge Verbindungen zu den Revolutionsgarden pflegen. Auch Teile des Funkverkehrs während des Zwischenfalls am Freitag sind inzwischen publik geworden.

"Wenn Sie den Anweisungen folgen, sind Sie sicher. Ändern Sie sofort Ihren Kurs!", ordnet ein iranischer Kommandant an - man wolle das Schiff nur aus Sicherheitsgründen entern, sagt er. Die britische Fregatte H.M.S. Montrose warnt die Iraner davor, die Weiterfahrt des Schiffes in einer internationalen Wasserstraße zu behindern und damit internationales Recht zu brechen. Öffentlich zugängliche Transponderdaten zeigen, dass sich die Stena Impero tatsächlich in omanischem Hoheitsgebiet befand. Doch das Kriegsschiff ist zu weit entfernt, um wie eine Woche zuvor bei einem anderen britischen Tanker verhinder zu können, dass die Stena Impero in iranische Gewässer abgedrängt und von den Revolutionsgarden übernommen wird.

Teheran wirft der Regierung in London einen "Akt der Piraterie" vor

Am Sonntag lag sie im Hafen von Bandar Abbas vor Anker, die 23 Seeleute umfassende Mannschaft, unter ihnen 18 Inder, Philippiner, Russen und Letten, darf nicht von Bord. Offiziell werfen die Hafenbehörden der Provinz Hormusgan ihr vor, ein Fischerboot gerammt zu haben. Allerdings lassen weder die Revolutionsgarden noch das Regime in Teheran Zweifel daran, was der wahre Grund für die Kaperung ist.

"Die Revolutionsgarden haben die Antwort darauf gegeben, dass Großbritannien einen Tanker gehijackt hat", sagte Parlamentssprecher Ali Laridschani. "Die Regel der Vergeltung ist im internationalen Recht anerkannt", sekundierte der Sprecher des Wächterrates, Abbasali Kadkhodaei. Iran habe dieses Recht ausgeübt als Antwort auf den "illegalen Wirtschaftskrieg" gegen sein Land - und die Beschlagnahme des von Iran genutzten Supertankers Grace 1 durch die Behörden der britischen Enklave Gibraltar. Sie hatten das Schiff in den Territorialgewässern unter dem Vorwurf angehalten, dass es EU-Sanktionen gegen Syrien unterlaufen wolle. Der Hinweis auf den Tanker kam von den USA. Iran spricht von einem "Akt der Piraterie" und verlangt, dass Gibraltar das Schiff freigibt.

Rechtlich ist umstritten, ob die Durchsetzung von EU-Sanktionen rechtfertigt, das Schiff anzuhalten. Die entsprechende EU-Vorschrift gibt Mitgliedstaaten auf, Schiffe in ihren Hoheitsgewässern zu inspizieren und nötigenfalls auch die Ladung zu beschlagnahmen - allerdings im Einklang mit internationalem Recht, vor allem dem Seerecht, in dem wiederum das Recht auf freie Passage verankert ist. Die Situation der Grace 1 wird zusätzlich kompliziert dadurch, dass sie derzeit offenbar keinen Flaggenstaat hat, Panama hatte das Schiff aus seinem Register gestrichen. Möglicherweise hat es auch keine gültige Versicherung. Der Flaggenstaat alleine aber hat die Rechtshoheit über ein registriertes Schiff.

Teheran sieht in den Briten nur willfährige Handlanger Washingtons

Die britische Regierung hatte aus politischen Erwägungen heraus versucht, eine diplomatische Lösung zu finden. Am Mittwoch sprach Außenminister Jeremy Hunt mit seinem iranischen Kollegen Mohammad Dschawad Sarif, der in London auch Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo traf. Hunt sagte, die Grace 1 könne weiterfahren, wenn Iran garantiere, dass sie nicht Syrien ansteuere. Iran hatte bestritten, dass das Öl an Bord für die mit EU-Sanktionen belegte Raffinerie in Banyas oder überhaupt für Syrien bestimmt sei.

Großbritannien versucht, zusammen mit Frankreich und Deutschland das Atomabkommen mit Iran zu retten, und ist an Bemühungen beteiligt, trotz der unilateralen US-Sanktionen legitimen Handel mit der Islamischen Republik zu ermöglichen. Iran aber sieht London im Fall der Grace 1 als willfährigen Handlanger der USA.

Das Verhältnis der beiden Staaten ist historisch ohnehin belastet, dem Vereinigten Königreich schlägt in gleichem Maße Misstrauen entgegen wie den USA. Die Briten gelten als Manipulatoren, die wegen ihrer Öl-Interessen in Iran Amerika überzeugt hätten, den 1953 von der CIA orchestrierten Putsch gegen Mohammad Mossadegh zu betreiben. Diese Animosität schwingt in der aktuellen Auseinandersetzung mit.

Den Revolutionsgarden bietet sie die Gelegenheit, Entschlossenheit zu demonstrieren - vor allem im Streit um den Fortbestand des Atomabkommens und den Spannungen mit den USA. Der "Kampagne des maximalen Drucks" von US-Präsident Donald Trump setzen sie eine "Strategie des maximalen Widerstands" entgegen. Sie zielt darauf, den USA und anderen Mächten zu verdeutlichen, dass Iran massiven Schaden verursachen kann, wenn die Islamische Republik tatsächlich effektiv daran gehindert wird, Öl zu exportieren. Im Raum steht für diesen Fall die Drohung, die Straße von Hormus zu blockieren. Auch der als gemäßigt geltende Präsident Hassan Rohani hatte sie ausgesprochen. Durch die Straße von Hormus wird 20 Prozent des weltweit gehandelten Öls transportiert. Vor allem Staaten in Asien sind vom Öl aus der Golfregion abhängig, etwa die US-Verbündeten Japan und Südkorea, aber auch Indien und China.

Etwa zeitgleich zu der Aktion gegen die Stena Impero enterten die Revolutionsgarden einen zweiten Tanker, die Mesdar. Das unter liberianischer Flagge fahrende Schiff hat britische Eigner, durfte letztlich aber weiterfahren. Auf einem Stützpunkt der Revolutionsgarden auf der Insel Larak festgesetzt ist weiterhin die Riah, ein kleiner Tanker, dem die Iraner Öl-Schmuggel anlasten. Die USA und andere westliche Staaten machen Iran für eine Reihe weiterer Zwischenfälle verantwortlich. Demnach sollen die Revolutionsgarden hinter Sabotageakten stehen, bei denen im Golf von Oman sechs Tanker durch Haftminen beschädigt wurden. Auch schoss Iran eine US-Überwachungsdrohne über der Straße von Hormus ab - Präsident Trump sagte einen bereits angelaufen militärischen Vergeltungsschlag in letzter Minute ab. In Teheran wurde das von den Hardlinern als Bestätigung ihrer Strategie gewertet. Nach deren Lesart ist Trump zu einer militärischen Konfrontation nicht bereit. Eine langsame, schrittweise Eskalation ist dieser Logik zufolge das wirksamste Mittel, um Irans Position gegenüber den USA zu verbessern und die Europäer weiter unter Druck zu setzen.

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