Kinderbetreuung:Eltern scheitern fast immer bei Kita-Klagen

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Sechs Jahre nach dem Rechtsanspruch auf staatliche Kinderbetreuung sind viele Eltern mit der Situation unzufrieden. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)
  • Wenn Eltern vor Gericht klagen, weil sie keinen oder nicht den gewünschten Kita-Platz bekommen haben, dann scheitern sie in München meistens.
  • Sechs Jahre nach der Festschreibung des Anspruchs auf eine staatliche Kinderbetreuung im Sozialgesetzbuch hat die Stadt noch kein Gerichtsverfahren verloren.
  • Es gab entweder Urteile zu ihren Gunsten oder Vergleiche.

Von Stephan Handel

Dieses Mal geht's schnell: Nicht mal 20 Minuten braucht Frank Tholl, Vorsitzender Richter der Amtshaftungskammer am Landgericht, um aufzuklären, was Sache ist - und um dann dem Kläger eine deutliche Einschätzung der juristischen Lage zu vermitteln: "Da wird's keinen Anspruch geben." Die Mehrkosten von fast 9000 Euro für die Betreuung des mittlerweile bald vierjährigen Sohnes Leopold in einer privaten Kita wird die Familie selbst bezahlen müssen, obwohl es seit 2013 einen gesetzlich festgeschriebenen Anspruch auf staatliche Kinderbetreuung gibt.

Sechs Jahre nach der Festschreibung des Anspruchs im Sozialgesetzbuch lässt sich sagen, dass die Rechtsprechung die Kommunen durchaus nicht benachteiligt. Das Bildungsreferat teilt mit, dass insgesamt 163 Gerichtsverfahren begonnen haben, 151 davon seien bereits wieder abgeschlossen. "Kein einziges" dieser Verfahren habe die Stadt verloren: Es gab entweder Urteile zu ihren Gunsten oder Vergleiche. Zwei Kläger, Leopolds Eltern eingerechnet, versuchten den Weg über eine Schadenersatzklage - ebenfalls mit geringen Aussichten auf Erfolg.

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Die meisten Klagen wurden am Verwaltungsgericht verhandelt - dort, in der ersten Instanz, endeten 135 Verfahren, 15 gingen zum bayerischen Verwaltungsgerichtshof, und bei einem wurde dann sogar die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig zugelassen, was nicht oft geschieht - es muss um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung gehen.

Das Urteil, das der fünfte Senat des BVerwG am 26. Oktober 2017 sprach, dürfte für Wohlbehagen in den Verwaltungen gesorgt haben: Gegen die Stadt geklagt hatte ein Elternpaar auf Ersatz der Mehrkosten für eine private Kita. Das Gericht stellte fest, dass die Stadt bei der Zuteilung eines Betreuungsplatzes nicht prüfen muss, ob die Kosten den Eltern zumutbar sind. Vielmehr könnten sie ja, falls der Platz zu teuer ist, finanzielle Hilfe beantragen.

Wer einen Kita-Platz benötigt, kann sich dafür bei der Stadt online im sogenannten "Kitafinder +" anmelden. Diese Anmeldung krankt aber daran, dass sie formaljuristisch nicht als Anmeldung des Anspruchs nach dem Sozialgesetzbuch gilt. Dieser Hinweis findet sich zwar auf der Website, nicht aber ein Rat, wie der Anspruch denn rechtssicher geltend gemacht werden kann. In der Verhandlung um den Fall des kleinen Leopolds merkte der Anwalt des Klägers dann auch an: "Es kann ja wohl nicht sein, dass Eltern auf der Suche nach einem Kita-Platz erst einmal eine anwaltliche Beratung brauchen."

Doch das Argument nutzt dem Kläger letztlich nichts. Richter Tholl fragt die Vertreterin der Stadt, ob die private Kita, die Leopold schließlich besuchte, gefördert werde, was diese freudig bejaht: Sowohl von der Stadt, als auch vom Freistaat bekomme die Krippe Geld. Den Bescheid habe sie gerade nicht dabei, verspricht aber, ihn dem Gericht vorzulegen.

"Wenn's öffentliche Förderung gibt", sagt Tholl, "wird der Anspruch erfüllt sein." Die Eltern hätten höchstens versuchen können, Bedürftigkeit nachzuweisen, dann hätte die Stadt darüber entscheiden müssen. Aber: Beide Eltern sind berufstätig, deshalb brauchten sie den Platz ja. "Da wär's wahrscheinlich schwierig geworden mit der Bedürftigkeit", sagt Richter Tholl und schließt die Sitzung.

© SZ vom 25.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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