Radsport:Tour mit zwiespältigen Botschaften

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Bild der Erschöpfung: Julian Alaphilippe im Ziel der vorletzten Etappe. (Foto: Anne-Christine Poujoulat/AFP)

Die Frankreich-Rundfahrt mag in diesem Jahr ein aufwühlendes Schauspiel geboten haben, und viele Leistungen wirkten zumindest plausibel. Doch es fahren weiter Zweifel mit.

Kommentar von Johannes Knuth

Immerhin einer hat die Fassung bewahrt bei dieser Tour de France, die zeitweise "mit der Unwirklichkeit flirtete", wie das Tour-Organ L'Équipe bilanzierte. Patrick Lefevere, der mächtige und oft auch mächtig umstrittene Patron der belgischen Quickstep-Equipe, teilte all seinen Kritikern auf Twitter mit, dass sie sich gefälligst "verpissen" sollen. Was bilden sich all die "Verlierer" und "Halbjournalisten" auch ein, seinen wackeren Julian Alaphilippe in Zweifel zu ziehen?

Loulou, wie sie ihn in Frankreich rufen, dominiert in der Regel ja die schweren, explosiven Eintagesrennen seines Sports, und wer dort erfolgreich ist, kann bei einer Tour de France im Grunde nicht drei Wochen lang mit den Besten durchs Hochgebirge strampeln. Aber dann rauschte Alaphilippe tatsächlich zwei Wochen lang im Gelben Trikot durch Frankreich, als könne er sich mit seinem Esprit auch die immer größere Müdigkeit aus den Beinen schütteln. Es dauerte bis zum letzten Wochenende, ehe ihm der Sieg und auch ein Podestplatz entglitt. Das wirkte immerhin ein wenig plausibler, weil menschlicher.

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Oder war das schon wieder verdächtig, weil Alaphilippe als Gesamt-Fünfter auch viele gestandene Rundfahrer hinter sich gelassen hatte?

Die Tour mag in diesem Jahr ein aufwühlendes Schauspiel geboten haben, das auch viele Botschaften der Glaubwürdigkeit vermittelte. Die britische Equipe Ineos, die in den vergangenen Jahren viel Verdacht auf sich gezogen hatte, stellte zwar zum siebten Mal in acht Jahren den Sieger, wirkte aber angreifbar wie lange nicht. Viele Kletterzeiten der Favoriten wirkten zumindest plausibel, vom Franzosen Thibaut Pinot etwa, der schon dem Gesamtsieg entgegenzustürmen schien, ehe er auf der 19. Etappe verletzt vom Rad stieg - und so bitter weinte, dass man mit seinen Tränen sämtliche Gletscherseen in den Alpen hätte befüllen können. Und zur Wahrheit gehört auch, dass der Radsport zuletzt einiges in seine Betrugsfahndung investierte, bei dieser Tour sogar bis vor dem Start kontrollierte - eine Lehre aus den jüngsten Betrugsfällen bei der Nordischen Ski-WM.

Aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass nach wie vor viele Schnellmacher auf den Markt gespült werden, bei denen kein Test ausschlägt, oder dass noch immer belastetes Personal unterwegs ist, auch wenn die Sünden der Vergangenheit nicht zwingend über den Erfolg im Jetzt erzählen. Bei Quickstep ist übrigens weiter Yvan Van Mol als Teamarzt engagiert: Der Belgier wurde, wie Lefevere, immer wieder mit unlauteren Methoden in Verbindung gebracht (was beide kategorisch abstreiten).

Dass der Zweifel da weiter mitfährt, ist nicht die Schuld der "Loser", wie Lefevere glaubt. Dafür ist schon noch immer der Sport selbst verantwortlich.

© SZ vom 29.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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