SpVgg Unterhaching:Zwickt's mi

Der Klub gewinnt durch drei späte Tore 5:4 gegen Würzburg - womöglich gibt dieses Match der Haching-Aktie Auftrieb, die ab Dienstag an der Börse gehandelt wird.

Von Stefan Galler

Die Dämme brachen bereits, als das Wunder noch gar nicht seine letztendlich epischen Ausmaße angenommen hatte. Innerhalb von drei Minuten hatte die SpVgg Unterhaching im Drittligaderby gegen die Würzburger Kickers aus einem 2:4 ein 4:4 gemacht, da rannte Haching-Trainer Claus Schromm wie von Sinnen aufs Feld, umarmte seinen jungen Torwart Nico Mantl und ließ sich nur widerwillig davon überzeugen, noch einmal seinen Platz an der Seitenlinie einzunehmen. Knapp zwei Minuten späterfolgte dann die endgültige Eruption sämtlicher Gefühle im Sportpark: Stefan Schimmer leitete den Angriff über die rechte Seite ein, bediente Lucas Hufnagel, der uneigennützig querlegte. Moritz Heinrich, Zugang von Preußen Münster und früher bei 1860 München tätig, nahm den Ball an und drückte ihn aus kurzer Distanz über die Linie. 5:4 (90. + 4) - der Schlusspunkt hinter eine Partie, die man nicht nur in Unterhaching so schnell nicht vergessen wird. Aus den Lautsprecherboxen krähte Wolfgang Ambros seinen Hit "Zwickt's mi". Selten traf ein Stadion-DJ eine passendere Songauswahl.

Dabei hatte zu Beginn nichts darauf hingewiesen, dass es später für die Gastgeber auch nur irgendeinen Grund zur Heiterkeit geben würde. Würzburg startete enorm effizient in die Partie und hatte zudem Glück: Ein Freistoß von Luke Hemmerich wurde von Schimmer in der Hachinger Mauer abgefälscht - keine Abwehrchance für Mantl, 0:1 (4.). Drei Minuten danach wollte der erst 19 Jahre alte neue Stammtorwart der Rot-Blauen nach einer Rückgabe von Markus Schwabl den Ball lässig an Würzburgs Luca Pfeiffer vorbei legen, blieb jedoch hängen und der Kickers-Stürmer schob locker zum 0:2 ein. "Wir sind fast ein bisschen zu gut reingekommen, danach hat mir das, was wir gespielt haben, nicht gefallen", sagte Michael Schiele, der Coach der Gäste. Sein Team habe sich zu viele leichte Ballverluste geleistet, den Gegner dadurch ins Spiel zurückgeholt. Es dauerte aber bis zur 33. Minute, ehe Haching daraus Kapital schlagen konnte: Eine perfekte Flanke von Heinrich köpfelte Schimmer aus zwölf Metern zum 1:2 ins Tor.

Fussball 3.Liga

Ein Bild für die Hachinger Vereinschronik: Moritz Heinrich hat zum 5:4 getroffen, Würzburgs Hendrik Hansen ist am Boden zerstört.

(Foto: Oryk Haist)

Die Würzburger zeigten sich unbeeindruckt, und ausgerechnet Dominik Widemann, im Sommer bei der SpVgg weggeschickt, stellte nach Flanke von Hemmerich und sehenswerter Einzelleistung den alten Abstand wieder her (41.). Doch das war noch nicht der letzte Höhepunkt einer bereits im ersten Durchgang völlig verrückten Partie: Die Hereingabe kam vom kurz zuvor für den verletzten Max Dombrowka (Nerv eingeklemmt) eingewechselten Jim-Patrick Müller, Hufnagel ließ die Kugel durch und Schimmer schnürte den Doppelpack (45.+2). "Unter der Woche kam er zu mir und sagte, dass er der Top-Stürmer hier ist", schilderte Trainer Schromm später. "Ich habe ihm gesagt, er soll es am Samstag beweisen. Und das hat er getan."

Doch es war noch ein weiter Weg zum Happy End für die Gastgeber. Unmittelbar nach der Pause markierte nämlich auch Würzburgs Widemann nach perfektem Pass von Pfeiffer seinen zweiten Tagestreffer (48.) - für Haching war er in der Vorsaison bei 27 Einsätzen kein einziges Mal erfolgreich gewesen. Beim Stand von 2:4 herrschte Weltuntergangsstimmung im Sportpark, was zum Wetter passte: Ein mächtiges Gewitter machte sich breit, Schiedsrichter Christof Günsch unterbrach die Partie für 18 Minuten.

Unterhaching Praesident Manfred SCHWABL und Lucas HUFNAGEL 10 UNT nach Spielende Fussball SpVg

Erst ausgerastet, dann sprachlos: SpVgg-Chef Manfred Schwabl.

(Foto: Oryk Hiast/imago)

"Vor der Regenpause waren wir mental im Tief, enttäuscht über unsere vielen Fehler", sagte Schromm. Und Heinrich, dem am Schluss das Siegtor gelang, ergänzte: "Wir hatten irgendwann nichts mehr zu verlieren, haben nur noch alles nach vorne geworfen." Die Wende setzte aber erst in der 88. Minute ein, als Thomas Hagn von der linken Seite Christoph Ehlich in der Mitte anspielte und jener die Kombination der Einwechselspieler mit einem Flachschuss an den Innenpfosten abschloss. Es folgte ein Freistoß von Unterhachings Abwehrspieler Alexander Winkler an den Pfosten, von wo aus die Kugel an den Hinterkopf von Kickers-Keeper Eric Verstappen und von dort ins Tor sprang - 4:4 (90.+1). Und dann noch als Schlusspointe Heinrichs erstes Tor für seinen neuen Verein, das die Haching-Anhänger unter den 3250 Zuschauern in völlige Ekstase versetzte. Und Würzburgs Trainer Schiele ratlos zurückließ: "Wenn du auswärts vier Tore schießt, dann darfst du nicht verlieren. Die Gier zu gewinnen, war beim Gegner einfach größer." Hachings Verteidiger Markus Schwabl sagte: "Ein vogelwildes Spiel, wir haben naiv und schlecht verteidigt und trotzdem noch gewonnen."

Womöglich wird dieses wundersame Match der Haching-Aktie, die von Dienstag an im Mittelstandssegment m:access der Börse München gehandelt wird, Rückenwind geben. Insgesamt konnten 6,7 Millionen Euro mit der vorbörslichen Platzierung eingesammelt werden, innerhalb der Zeichnungsfrist gingen mehr als 1150 einzelne Orders ein. "Damit haben wir unser Ziel, die Aktien möglichst breit zu streuen, erreicht", hatte Manfred Schwabl, Präsident des Vereins und Geschäftsführer der SpVgg Unterhaching Fußball GmbH & Co. KGaA, am Freitag gesagt. Am Samstag blieb der Boss stumm. Was hätte er zu diesem Irrsinn auch sagen sollen?

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