Bayerns Ministerpräsident:Söder will Klimaschutz im Grundgesetz verankern

Markus Söder

"Wir brauchen einen vernünftigen Klimafahrplan und keine Klimahektik": Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.

(Foto: dpa)
  • Bayerns Ministerpräsident Söder betreibt im Freistaat eine Ökologie-Offensive.
  • Dabei übernimmt er die Forderungen der Grünen zum Bau von mehr Windkrafträdern und auch Fotovoltaikanlagen sollen leichter errichtet werden können.
  • Das ehrgeizige Ziel Söders: Bayern soll schon um 2040 klimaneutral werden.

Von Wolfgang Wittl

Es ist die letzte Kabinettssitzung vor der Sommerpause, zu der sich die bayerische Staatsregierung am Dienstag trifft. Von entspanntem Austrudeln kann allerdings keine Rede sein. Ministerpräsident Markus Söder hat zum "Klimakabinett" gebeten. Anders als in Berlin heißt das in München: Anwesenheitspflicht für alle Ministerinnen und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre.

In seiner bekannt zurückgenommenen Art wird Söder der Öffentlichkeit im Hofgarten neben der Staatskanzlei einen Blühstreifen präsentieren. Auch drei Bienenvölker dürfen in die Regierungszentrale einziehen. Doch das Bündel an Maßnahmen, das dem Ministerpräsidenten vorschwebt, hat einiges mehr zu bieten als hübsche Fotos. Sogar die seit Jahren hitzig diskutierte Windkraft steht auf der Tagesordnung.

Zwar will Söder die umstrittene 10-H-Regelung nicht anfassen, schon gar nicht vor der Kommunalwahl im nächsten März. Neu errichtete Anlagen müssen also weiter einen Mindestabstand zu Häusern haben, der zehn Mal die Höhe des Windrades beträgt. Dafür hat Söder ein eigenes Modell gefunden, die Forderung der Grünen nach mehr Windkraft aufzugreifen. Hundert neue Windanlagen will der Freistaat in den nächsten zwei Jahren in den bayerischen Staatswäldern errichten.

Auch bei der Fotovoltaik soll sich etwas tun: Nachdem die Staatsregierung die Zahl der Freiflächen unlängst von 30 auf 70 erhöht hatte, soll die Deckelung nahezu aufgehoben werden. Die Kommunen sollen weitgehend freie Hand bekommen beim Ausweisen von Fotovoltaik-Anlagen. "Bayern ist nun mal Sonnenland", sagt Söder.

Die Staatsregierung will beim Klimaschutz selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Nur ein Drittel aller Fahrzeuge soll im kommenden Jahr mit Verbrennungsmotor betrieben werden. Gut möglich, dass der Fuhrpark mit Elektrorollern aufgestockt wird. Flugreisen für Politiker und Beamte sollen signifikant reduziert und auf die Bahn umgeleitet werden. Wer wirklich fliegen muss, soll darauf achten, dass es klimaneutral geschieht. Schneller als der Bund oder alle anderen Bundesländer will Söder den Freistaat klimaneutral machen: also nicht erst im Jahr 2050, sondern "2040 plus". Der Staatsregierung mit ihren Ministerien soll dies deutlich früher gelingen. Die Staatskanzlei wird schon jetzt zu hundert Prozent mit Ökostrom versorgt.

An der Sitzung am Dienstag soll der Klimarat teilnehmen. Söder hat aber bereits einige weitere Punkte im Blick. So soll die Ölheizungsförderung bald der Vergangenheit angehören; die Mittel sollen stattdessen in den Umstieg auf erneuerbare Energien fließen. Wälder und Moore sollen zu CO₂-Speichern ausgebaut werden. Der Verbrauch von Plastik - Tüten, Besteck, Karten - soll in Bayern drastisch gesenkt werden. Flankieren will die Staatsregierung dies mit einem Vorstoß im Bundesrat.

Zudem will Söder den Klimaschutz als verpflichtende Staatsaufgabe im Grundgesetz verankern. "Wir stehen vor einer Jahrhundertaufgabe, daher brauchen wir auch einen Jahrhundertvertrag", sagte Söder der Süddeutschen Zeitung. Mit Blick auf die großen Herausforderungen reiche es nicht, wenn nur die Koalition aus Union und SPD darüber entscheide. Auch andere Parteien und alle politischen Ebenen - Bund, Länder, Kommunen - sollten eingebunden werden. Der nötige "Staatsvertrag" sei zu wichtig, um daraus parteipolitisch Kapital zu schlagen, sagte der CSU-Chef: "Früher sollte es keine Rentenwahlkämpfe geben, jetzt sollte es keine Klimawahlkämpfe geben."

Ein Vorschlag der Grünen, den Klimaschutz ins Grundgesetz aufzunehmen, war im vergangenen Jahr auch am Widerstand der CSU gescheitert. Nun will die CSU vorangehen. Auch für die Aufnahme des Klimaschutzes in die bayerische Verfassung will Söder im Herbst einen weiteren Anlauf unternehmen.

"Wir brauchen einen vernünftigen Klimafahrplan und keine Klimahektik", sagt Söder. Mit Blick auf sein Maßnahmenpaket mag der Satz seltsam defensiv wirken. Doch Söder sagt, auf Nachhaltigkeit komme es ihm besonders an. Der Klimapakt müsse über Jahrzehnte halten. Er müsse Stadt und Land versöhnen. Und er müsse effektiv die Klimaziele erfüllen, dazu brauche es die Förderung neuer Innovationen. Ebenfalls im Herbst will Söder ein Klimaschutzgesetz vorlegen, wie Bayern seine Ziele bis 2030 erfüllen könne.

Sogar Dobrindt spricht inzwischen vom "Klimabudget"

Am Freitag hat Söder bei einer SZ-Veranstaltung in Nürnberg mit Schülern, einem Klimaforscher und einem Mitglied der Klimaschutzbewegung "Fridays for Future" (FFF) diskutiert. Er wolle auf Augenhöhe reden und Impulse aufnehmen, betonte Söder. Dass es ihm offenbar ernst damit ist, belegt ein Termin vor einer Woche. Söder traf sich in der Staatskanzlei diskret mit FFF-Aktivisten, fast zwei Stunden dauerte der Austausch. Söder hörte genau zu, auch wenn ihm manche Forderung zu radikal sein dürfte. "Wir müssen die Menschen mitnehmen, so wie sie sind", sagte er bei der SZ-Debatte. Die CSU wolle einen Ausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie.

Das sind also die Leitplanken, in denen sich die Söder-CSU gerade mit großem Eifer bewegt - ehemalige Skeptiker eingeschlossen. Während Söder in Nürnberg mit Schülern diskutierte, breitete Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Münchner Merkur zur Überraschung von Parteifreunden seine Vorstellungen von einem Klimakonzept aus. Dobrindt ist in der CSU bislang nicht als Umweltstratege aufgefallen. Jetzt sprach er plötzlich von einem "Klimabudget", einem Umbau der Kfz-Steuer mit einer "deutlich höheren CO₂-Komponente", höheren Abgaben für Inlandsflüge und einer Steuerentlastung für die Bahn.

Söder hat Dobrindts Ideen wohl mit gemischten Gefühlen verfolgt. Dass der Landesgruppenchef derart vorprescht, dürfte auch dieses sehr spezielle Klima untereinander strapazieren. Andererseits ist es eine Botschaft an die Konservativen in der CSU, wenn sogar der oberste Grünen-Gegner Dobrindt den Naturschutz entdeckt. Söder kann jetzt gelassen beobachten, wie weit Dobrindts Testballon trägt. Der Alexander habe gute Vorschläge geliefert, sagt Söder. Klar sei aber auch: "Alles, was jetzt diskutiert wird, ist eine Materialsammlung." Entschieden werde im September.

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