Unglück in Gleißenberg:"Der Stier ist der Chef der Herde, der Mensch ist immer ein Eindringling"

Stier tötet Landwirt und dessen Vater

Weil die Rettungskräfte nicht zu den beiden Männern auf die Weide kamen, mussten die Polizisten den Stier erschießen.

(Foto: dpa)

Ein Stier tötet einen Landwirt und dessen Vater. "Man darf ihnen niemals trauen", sagt ein Experte. Ähnliche Attacken gibt es immer wieder.

Ein wild gewordener Stier hat in der Oberpfalz einen Landwirt und dessen Vater getötet. Der 60-jährige Bauer sei am Samstag auf einer Weide in Gleißenberg (Landkreis Cham) von dem Tier attackiert worden, als er ein Kalb habe markieren wollen, teilte die Polizei mit. Als der Mann nach einer Weile nicht nach Hause auf den angrenzenden Hof zurückkehrte, machten sich sein 87-jähriger Vater und seine Ehefrau auf die Suche. Als der Senior die Weide betrat, griff der Stier den Angaben zufolge auch ihn an und verletzte ihn tödlich.

Die Landwirtin rief den Notdienst, jedoch bedrängte der Stier auch die Rettungskräfte. Sie konnten erst zu den Männern auf die Weide gelangen, nachdem Polizisten das Tier erschossen hatten. Warum der Stier derart aggressiv wurde, war auch am Sonntag unklar. Möglicherweise habe er seine Herde verteidigen wollen, teilte die Polizei mit. Es befanden sich mehrere Kühe und Kälber auf der Weide. Den Angaben nach war der Landwirt sehr erfahren und sah regelmäßig nach den Tieren - bislang habe es nie Probleme mit dem Stier gegeben, hieß es. Die Familie der beiden getöteten Männer wurde von einem Kriseninterventionsteam betreut.

"Ein Stier verteidigt seine Herde immer", sagt Rudi Ossovsky auf Anfrage der SZ. Er hat seit mehr als zwanzig Jahren in der Besamungsstation Grub bei München täglich mit Bullen zu tun. Gebe zum Beispiel ein Kalb beim Stechen einer Ohrmarke auch nur einen kurzen Laut des Schmerzes ab, löse das beim Stier sofort gefährliche Reflexe aus. So verhält sich ein Stier auch, wenn sich ein Wolf an einem Tier aus der Herde zu schaffen machen würde. Der Stier attackiert den Angreifer. Deshalb gebe es Sicherheitsvorrichtungen für Landwirte, wenn sie Kälber markieren. Ossovsky vergleicht sie mit den Haikäfigen der Meerestaucher. "Der Stier ist der Chef der Herde, der Mensch ist immer ein Eindringling", sagt er. Das merkt er selbst, wenn er die Box eines seiner Zuchtbullen betritt: "Da scharren sie sofort mit den Hufen, sogar die ansonsten friedlichen Tiere." Unterschreite man den Sicherheitsabstand von ein bis zwei Metern, werde es lebensgefährlich.

Thomas Grupp, Geschäftsführer der Bayern-Genetik Gmbh, die unter anderem die Besamungsstation in Grub betreibt, sagte einmal über seine Stiere: "Man darf ihnen niemals trauen." Attacken von Stieren oder Kühen auf Menschen gibt es immer wieder. So wurde 2016 etwa ein 48 Jahre alter Landwirt auf einer Weide im Allgäu von einem Jungstier tödlich verletzt. 2014 starb eine Bäuerin im oberbayerischen Bad Tölz nach einem Angriff durch einen Stier im Stall ihres Hofes. Im selben Jahr wurde ein 57 Jahre alter Bauer im Landkreis Altötting von seinen Kühen auf einer Weide totgetrampelt. In diesem Jahr kam in Bayern ein Landwirt nach einem Stierangriff ums Leben. Das Tier hatte seinen 60-jährigen Besitzer in Niederbayern beim Verladen tödlich verletzt.

26 Jahre ist es her, dass der frühere Bundeslandwirtschaftsminister Josef Ertl (FDP) von einem Stier auf dem Bauernhof seines Sohnes in Rott (Kreis Landsberg am Lech) schwer verletzt wurde. Der damals 68-Jährige kam bewusstlos mit einer Brustkorb- und Lungenquetschung, beiderseitigen Serienbrüchen und gebrochenen Gliedmaßen in die Unfallklinik in Murnau und schwebte lange in Lebensgefahr. Er war nach der Genesung bis zu seinem Tod im Jahr 2000, sieben Jahre später, auf einen Rollstuhl angewiesen.

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