Jazz:Trio Triumphale

Musikalischer Kräftebeweis: Das María Grand Trio beweist in der Münchner Unterfahrt mit Präzision und intellektuellem Durchhaltevermögen, dass es in der ersten Liga mithalten kann.

Von Andrian Kreye

Es ist schwer genug, sich im Jahre 2019 mit dem Tenorsaxofon durchzusetzen. Wenn sich also eine neue Stimme wie María Grand mit einem Trio auf Tournee wagt und dann (wie am Sonntag im Münchner Jazzclub Unterfahrt) beweist, dass sie, was Präzision, intellektuelles Durchhaltevermögen und spirituelle Kraft angeht, in der ersten Liga mithalten kann, ist das schon mal eine Ansage. Immerhin wurden genau diese Messlatten in den vergangenen Jahren nochmals weit nach oben verschoben. Grand, einer New Yorker Schweizerin mit argentinischen Wurzeln, gelingt das, weil sie auf dem Fundament eines mächtigen Tones aufbauen kann, einem Luftsäulengebilde, mit dem sich ganz früher mal die großen Tenoristen gegen die scharfen Akzente und wuchtigen Klangbilder einer Big Band durchsetzen mussten.

Mit einem Trio ist das fast noch schwerer, weil man gegen die Leere ankommen muss. Wobei die Aufgabenverteilung immer noch stimmt. Die scharfen Akzente setzte die Schlagzeugerin Savannah Harris. Das wuchtige Klangbild kam von der australischen Bassistin Linda May Han Oh. Wobei sich die Aufgabenverteilung, wer da wen anschiebt oder mitzieht, ständig veränderte, als sei das Trio ein Netzwerk für Energieverteilung, in dem es keinen zentralen Knoten geben kann.

Jazz: Auf dem Fundament eines mächtigen Tons: María Grand.

Auf dem Fundament eines mächtigen Tons: María Grand.

(Foto: SZ)

Für Grand als Solistin war diese Rhythmusgruppe ein Dream-Team. Es war aber auch eine unausgesprochene Ansage. Drei Musikerinnen auf solcher Augenhöhe sind immer noch ein Ereignis. Die patriarchalische Selbstverständlichkeit des Jazz mag an der Basis aufweichen. Im Modern Jazz waren die handwerklichen Fähigkeiten schon länger das einzig gültige Kriterium. In den Clubs und Sessions zwischen New York und London gleichen sich die Geschlechterverhältnisse langsam aus. Ein Thema bleibt es aber.

Das Gesellschaftsmagazin Vanity Fair zeigt in seiner neuen Ausgabe eine Modestrecke mit Jazzmusikerinnen. Neben Veteraninnen wie Maria Schneider und Jane Ira Bloom sind da auch die neue Weltspitze wie Linda May Han Oh in Haute Couture zu sehen, das weibliche All-Star-Septett Artemis oder die Gründerin der "Women in Jazz Organization" und Saxofonistin Roxy Coss. Weil es mittelfristig nicht reicht, dass die Basis aufgeklärt und fortschrittlich ist, wenn die guten Festival-Gigs und Studiojobs immer noch an Männer gehen. Frauen stoßen immer noch an den "Brass Ceiling" (ein Wortspiel, weil die Glasdecke der Gendergrenzen auf englisch "glass ceiling" heißt und "brass" das Messing der Blasinstrumente bezeichnet, auf denen es Frauen immer noch schwerer haben als am Klavier oder im traditionellen Frauenfach, dem Gesang). Dazu kommt, wie in allen Kultursparten auch, das Problem der Übergriffe, gegen das Grand, Oh und andere Musikerinnen mit dem "We Have A Voice"-Kollektiv vorgehen, das einen Verhaltenskodex veröffentlichte.

In diesem Kontext war der Auftritt der drei Virtuosinnen umso souveräner. Kein Wort über die Debatte. Zwei Stunden reine Musik auf allerhöchstem Niveau. Das beantwortete schon mal einige sehr grundsätzliche Fragen.

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