Geld für die Bundeswehr:Kramp-Karrenbauers tückische Rechenaufgabe

Verteidigungsministerin besucht Einsatzführungskommando

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer (CDU) steigt aus einem Hubschrauber der Luftwaffe.

(Foto: Bernd Settnik/dpa)
  • 2014 hatten die Nato-Staaten beschlossen, ihre Verteidigungsausgaben mittelfristig auf jeweils zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu erhöhen.
  • Für das kommende Jahr sind in Deutschland allerdings nur 44,9 Milliarden Euro eingeplant, 1,37 Prozent des BIP.
  • Die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sucht nun nach Lösungen für das Problem.

Von Joachim Käppner

Von einer "Trendwende", die sie erreicht habe, hatte Ursula von der Leyen (CDU) als Verteidigungsministerin gern gesprochen - einer Wende hin zu besserer Ausrüstung der Bundeswehr, attraktiverem Dienst, höherem Wehretat. Ihre Nachfolgerin wählt ein kühneres Sprachbild. In ihrer Regierungserklärung versprach Annegret Kramp-Karrenbauer vergangenen Mittwoch, die Ausgaben für Verteidigung auf "einem verlässlich stetig wachsenden Pfad laufend zu steigern", damit die Bundeswehr auch leisten könne, was die Politik von ihr verlange.

Das wäre vor allem ein sehr steiler Pfad. Am Ziel steht die magische Zahl von zwei Prozent. 2014 hatten die Nato-Staaten unter dem Eindruck der Ukrainekrise beschlossen, ihre bis dahin stark geschrumpften Verteidigungsausgaben mittelfristig auf jeweils zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu erhöhen. Auch die Regierung in Berlin, schon damals eine große Koalition aus Union und SPD, stimmte zu und bestätigte dies 2016 noch einmal. Der Nato versprach sie, bis 2024 wenigstens auf 1,5 Prozent zu kommen.

Aber geliefert hat sie nicht. Für das kommende Jahr sind 44,9 Milliarden Euro eingeplant, immerhin 1,37 Prozent. Bis 2023 sollen die Verteidigungsausgaben dann wieder auf 44,0 Milliarden schrumpfen - nur noch 1,24 Prozent und schwerlich die Marge, die Herzen der Amerikaner zu erwärmen. US-Präsident Donald Trump beschimpft die Deutschen daher gern als Drückeberger: "Deutschland ist reich. Jetzt reden sie davon, wie sie die Verteidigungsausgaben bis 2030 ein ganz klein bisschen erhöhen werden. Dabei könnten sie das sofort tun, heute, morgen, ohne Problem."

Kramp-Karrenbauer hat aber jetzt ausdrücklich versprochen: "Dann brauchen wir 1,5 Prozent in 2024." Dies habe die Bundesregierung abgestimmt mit der Nato, "und es entspricht im Minimum unserem Bedarf". Das ist nicht weniger als eine Kampfansage an den kriselnden Koalitionspartner SPD, der von den eigenen Zusagen an die Nato weit abgerückt ist und einen wehrpolitischen "Tanz um das Goldene Kalb" beklagt, so der kommissarische Fraktionschef Rolf Mützenich.

Die "zwei Prozent" sind eine tückische Rechenaufgabe, sie steigen und fallen mit der Wirtschaftsleistung, sie berücksichtigen Leistungen wie die Auslandseinsätze zu wenig. In den Jahren des Booms ist der Wehretat von 32,4 Milliarden 2014 auf 43,2 in diesem Jahr gestiegen, eine in absoluten Zahlen beachtliche Zunahme, die Deutschland prozentual dennoch nur in Trippelschritten dem Nato-Ziel nähergebracht hat. Ein Paradox: Je besser ein Nato-Staat ökonomisch dasteht, desto mehr läuft er den zwei Prozent hinterher.

Bedarf und Wirklichkeit beim Wehretat

Auf den ersten Blick ist der Wehretat stattlich. Aber neben dem laufenden Betrieb, den Versorgungskosten und anderem blieben vergangenes Jahr für "militärische Beschaffungen" und für die Forschung und Entwicklung neuer Projekte noch 6,1 Milliarden Euro, das waren nur 15,7 Prozent des Budgets. Auf diesem Stand wird die Bundeswehr kaum in der Lage sein, bis 2031 die vom Verteidigungsministerium gewünschte "Grundaufstellung" der Truppe zu schaffen. Diese sieht vor, so will es das Weißbuch der Bundesregierung von 2016, dass die Bundeswehr sowohl zu internationalen Missionen wie derzeit in Afghanistan und Mali fähig sein soll als auch zur Landesverteidigung, also zur kollektiven Abschreckung gegen Angriffe auf Deutschland und das Bündnisgebiet.

Jahre des Schrumpfens und immer neuer Sparpläne, dazu die Fixierung auf die Auslandsmissionen, hatten dazu geführt, dass die Bundeswehr 2014 für ihre eigentliche Aufgabe, das Land notfalls zu verteidigen, kaum noch gerüstet war. Für die "Grundaufstellung", mit der sie wieder auf die Füße kommen sollte, wären laut Ministerium aber bis 2031 Investitionen von mindestens 200 Milliarden Euro notwendig.

2023 soll der Wehretat bei 44 Milliarden liegen

Deswegen hatten von der Leyens Fachabteilungen errechnet, dass der Wehretat 2023 eigentlich 54,7 Milliarden Euro umfassen müsste; das wären, Stand heute, etwas mehr als 1,5 Prozent und ungefähr das, was Kramp-Karrenbauer nun durchsetzen will. Die schlechte Nachricht für sie: Der Finanzplan der Regierung sieht für 2023 eben nur besagte 44 Milliarden vor.

Und der Bedarf ist enorm. Viele große Systeme, wie der Kampfjet Tornado oder die Fregatten der deutschen Marine, befinden sich längst im Spätherbst ihrer Einsatzzeit; andere, wie die taktische Luftabwehr, waren weitgehend verschwunden. Ausgleichen soll das ein Taktisches Luftverteidigungssystem (TLVS). Die auf wenige Dutzend einsatzbereite Tanks geschrumpfte Panzerflotte wird langsam wieder ausgebaut und soll in einigen Jahren immerhin gut 300 Leopard 2 umfassen. Neben neuen Schiffen für die Marine stehen auf der Investitionsliste europäische Mammutprojekte, die Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vereinbart haben, wie ein gemeinsamer Kampfpanzer und ein Jet der Zukunft.

Nur einmal theoretisch: Würde die Bundesrepublik ernsthaft versuchen, in naher Zukunft die zwei Prozent zu erreichen, wäre der Wehretat fast doppelt so hoch wie jetzt. Der Wehrbeauftragte, Hans Peter Bartels von der SPD, sagte dem Tagesspiegel nun, was in Berlin jeder ahnt, aber kaum jemand ausspricht: "Niemand plant eine Zwei-Prozent-Bundeswehr. Das wären 77 Milliarden Euro im Jahr 2024, illusorisch."

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