Brexit:Der BoJo-Effekt trifft das Pfund

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  • Die Währungshändler an den Finanzmärkten fürchten den neuen Premierminister Boris Johnson.
  • Seit er im Amt ist, hat das britische Pfund ziemlich an Wert verloren.

Von Stephan Radomsky

Den Jojo-Effekt kennt, wer es schon einmal mit einer Diät versucht hat: Erst geht es mit den Pfunden runter, dann aber schnell und mit Schwung wieder nach oben. Davon zu unterscheiden ist der BoJo-Effekt. Bei dem geht es mit dem Pfund bisher nur nach unten, seitdem der neue Premier Boris Johnson die politische Macht in London übernommen hat.

Seit der bekennende Brexit-Fan Johnson am 23. Juli zum Vorsitzenden der Konservativen gewählt wurde, hat das Pfund Sterling jeweils mehr als zwei Prozent zum Euro und zum Dollar verloren. Für eine der Welt-Leitwährungen ist das ein enormer Verlust innerhalb kurzer Zeit. Am Mittwochmittag bekam man für ein Pfund nur noch 1,09 Euro. Mitte Mai lag der Kurs noch bei 1,15 Euro.

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Die Verluste haben vor allem einen Grund: Johnson scheint das Land auf einen harten Brexit vorzubereiten, also auf ein Ausscheiden aus der EU ohne Vertrag über die künftigen Beziehungen. Zum 31. Oktober wäre das Vereinigte Königreich mitsamt allen Bürgern und Unternehmen damit nicht mehr Teil des Binnenmarkts.

Die Folgen für die Wirtschaft dürften drastisch sein - was die Märkte nun schon einmal vorwegnehmen. Jedenfalls ist der Pfund-Kurs inzwischen schon wieder fast auf dem Niveau des historischen Tiefs vom Januar 2017.

London hat in den vergangenen Jahrzehnten Reiche und Superreiche aus aller Welt angelockt

Nun ließe sich der Wertverfall sogar als ganz nützlich deuten: Eine schwächere Währung bedeutet, dass Exporte ins Ausland relativ gesehen billiger werden, genauso wie Reisen ins Land. Industrie und Tourismus könnten also profitieren. Allerdings spielt beides für die britische Wirtschaft eine eher untergeordnete Rolle.

Geschätzte knapp 80 Prozent der Wirtschaftsleistung stammen aus dem Dienstleistungsbereich, allein der Finanzsektor macht 6,5 Prozent aus. Die Londoner City ist noch immer der wichtigste Finanzplatz Europas, viele Banken, Fonds und Versicherungen haben dort ihren Sitz oder zumindest wichtige Dependancen. Der Standort aber dürfte unter den politischen Unsicherheiten um einen womöglich harten Brexit und der Schwäche des Pfund besonders leiden.

Und dann gibt es da noch ein Problem: Gerade London hat in den vergangenen Jahrzehnten Reiche und Superreiche aus aller Welt angelockt, mitsamt ihrem Geld. Niedrige Steuern, ein stabiler Staat mit verlässlichem Rechtssystem, Zugang zu Europa und ein bisschen alter imperialer Glanz - das zog. Weil das Pfund aber immer weniger wert ist, schwinden auch die Vermögen. Und dann sinken auch noch die Preise für die oft sündteuren Londoner Immobilien, erstmals seit der Finanzkrise.

Der BoJo-Effekt dürfte deshalb vor allem die Millionäre und Milliardäre zwischen Kensington und Canary Wharf ärgern. Ziehen sie ihr Kapital ab, dürfte es fürs Pfund aber noch schwerer werden, wieder nach oben zu kommen.

© SZ vom 31.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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