Meteorologie:Wetterdienste streiten um Temperaturrekord

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Dass die Rekordmessung von 42,6 Grad unbrauchbar sei, will das Portal Wetter Online mit diesem Bild belegen. Laut DWD gibt die Aufnahme die Messsituation nicht adäquat wieder. (Foto: obs)
  • Meteorologen streiten, ob der zuletzt aufgestellte Temperraturrekord von 42,6 Grad in Deutschland gültig ist.
  • Ein Wetter-Portal hatte bemängelt, dass dichter Bewuchs um die Wetterstation in Lingen das Ergebnis verzerrt habe.
  • Der Deutsche Wetterdienst weist die Kritik zurück. Die Messungen seien technisch einwandfrei.

Von Christoph von Eichhorn

Lingen ist eine Stadt im Emsland, die es eher selten in die Hauptnachrichten schafft. Eine Ausnahme war der vergangene Donnerstag, als der Deutsche Wetterdienst DWD in dem Ort eine neue Rekordtemperatur maß: 42,6 Grad Celsius, so heiß war es noch nie in Deutschland. Damit war der vorherige Rekord - 40,5 Grad in Geilenkirchen - schon nach einem Tag übertroffen.

An der Messung hat sich nun jedoch ein Streit der Wetterdienste entsponnen. "Hitze-Rekord von Lingen unbrauchbar", schrieb das Portal Wetter Online vor einigen Tagen, und erklärte, den Wert nicht anzuerkennen. Die Kritik der Meteorologen entzündet sich an der Lage der Lingener Wetterstation des DWD. Ein der Presseerklärung beigefügtes Foto zeigt sie in leicht abschüssiger Lage, umgeben von einer Hecke und anderer Vegetation. Laut Wetter Online illustriert dies einen "problematischen Garteneffekt": Der dichte Bewuchs führe zu Problemen mit der Belüftung der Station, deshalb staue sich die Hitze bei intensiver Sonneneinstrahlung und wenig Wind. "In der Folge werden Extremtemperaturen gemessen, die deutlich von Messungen im Umland abweichen", sagte Matthias Habel, Meteorologe und Pressesprecher von Wetter Online.

Auch Jörg Kachelmann beanstandete den Messwert, auf Twitter schrieb der Moderator: "Man sieht hier schön, wie die lokalen Gegebenheiten in Lingen den Rekord möglich gemacht haben, der Fehler durch die ventilationshemmende Umgebung ist rund drei Grad, wie man an den umgebenden Stationen sieht."

An 25 Wetterstationen wurden zuletzt 40 Grad und mehr gemessen

Der Deutsche Wetterdienst konterte nun mit einer umfangreichen Analyse zu den Gegebenheiten in Lingen sowie zur Hitzewelle insgesamt. Der Messwert von 42,6 Grad sei "technisch ohne Beanstandung", heißt es darin. Zwar gebe es im Norden, Osten und Süden des Messfelds jeweils eine Hecke, räumt der DWD ein, auch die Windgeschwindigkeit sei am Tag des Rekords eher gering gewesen. Die Messreihe zeige aber, "dass am Nachmittag durchgehend turbulente Durchmischung aufgetreten ist und somit ein dauerhafter Wärmestau ausgeschlossen werden kann". Die Lage der Station habe daher keinen gravierenden Einfluss auf die Messungen und stünde somit internationalen Standards nicht entgegen. "Nach eingehender Prüfung" lägen dem DWD keine Gründe vor, den Rekord infrage zu stellen.

Für die Intensität der jüngsten Hitzewelle spielt der Rekordwert ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Außergewöhnlich sei vor allem das großräumige Auftreten der Hitze gewesen, schreibt der DWD. Vor allem in der Region vom Rhein-Main-Gebiet über den Niederrhein bis ins Emsland war es tagelang ziemlich heiß. Auf dem Höhepunkt am 25. Juli wurden an 25 Stationen 40 Grad und mehr gemessen. Von 1881 bis 2018 wurde diese Marke bislang nur zehn Mal erreicht. Allerdings liegt der Spitzenreiter Lingen noch immer 1,4 Grad über dem zweitheißesten Ort, Tönisvorst am Niederrhein.

Auch in anderen europäischen Ländern war die Hitze extrem. In Großbritannien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg gab es neue nationale Hitzerekorde. In Belgien wurden 41,8 Grad gemessen, in den Niederlanden 40,7 Grad. In beiden Ländern hatte das Thermometer zuvor noch nie mehr als 40 Grad erreicht.

Wie schon bei der Hitzewelle im Juni war auch diesmal eine sogenannte Omega-Wetterlage der Auslöser. Durch ein weitläufiges Hoch über dem Kontinent gelangte warme Luft von Nordafrika über Spanien und Mitteleuropa bis nach Skandinavien. Klimaforscher gehen davon aus, dass die globale Erwärmung in Europa zu häufigeren und heftigeren Hitzeperioden führt als bislang.

© SZ vom 02.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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