Dosenwein:Tankstellengesöff oder Zukunftstrend?

Stapel leere Bierdosen Stapel leere Bierdosen

Alkohol in Dosen hat einen eher nicht so exquisiten Ruf.

(Foto: imago/Schöning)
  • Der Umsatz von Dosenwein ist in den USA 2017 um 54 Prozent gestiegen, seither blieb das Wachstum zweistellig.
  • Die BBC listet Dosenwein unter die Food-Trends für 2019.
  • Der deutsche und französische Einzelhandel aber bleibt skeptisch. Der Erfolg der Dose hängt von der Trinkkultur eines Landes ab.

Von Marten Rolff

Die Getränkedose hat in Deutschland ein Imageproblem. Die Kritik ist so alt wie die Dose selbst und selten so unterhaltsam wie bei Jürgen Kron. Der Autor verkostete vor Jahren für ein Buch 80 Dosenbiersorten und attestierte etwa der Marke Bitburger, sie schmecke aus Metall "vollmundiger als die verschwitzten Küsse nach einem Tor von Andy Möller". Auch vieles, was später in Alu oder Blech abgefüllt wurde, steht eher für Masse als Klasse, ob Energydrinks, Cocktails oder Prosecco.

Und nun soll ausgerechnet die Dose die Zukunft des Weins retten. Dieser billig beleumundete und ökologisch zweifelhafte Blecheimer, dem die Pfanddebatte schon fast den Todesstoß versetzt hatte?

Gemessen an Zahlen aus den USA steht Dosenwein vor einer glänzenden Zukunft. Konsumforscher haben errechnet: Sein Umsatz ist 2017 um 54 Prozent gestiegen, seither blieb das Wachstum zweistellig. Besonders jetzt im Sommer läuft der Verkauf, weil es vor allem um sogenannte Terrassenweine geht. Große, lagerfähige Weine kämen eh nicht in die Dose, weil sie dort nur etwa zwei Jahre lang stabil bleiben. Perfekt sind dagegen alkoholarme Rosés oder spritzige Blanc de Blancs.

In den USA ist die Dose so zum Lifestyle-Thema geworden, das vor allem junge Leute an Wein heranführen soll. Sie gilt als praktisch. Man nimmt sie mit zu Ausflügen, Partys, Picknicks. Ein Fünftelliter Wein überfordert weder Outdoorfans noch Singles. Auch darf man Dosenwein am Strand trinken, wo Glas in den USA verboten ist. Firmen wie die Union Wine Company aus Oregon grenzen sich in Kampagnen von der gefährlich alternden Zielgruppe für teurere Flaschenweine ab und ironisieren deren Snobismus. Günstige, süffige Dosenweine kommen heute aus Chile, Kalifornien oder Australien. Auch britische Supermärkte räumen ihre Regale dafür frei. Die BBC listet Dosenwein unter die Food-Trends für 2019.

"Das trinkt doch keiner!"

Wie gut sich die Dose durchsetzt, hängt von der Trinkkultur in einem Land ab. So lässt die Bochumer Firma Finest Food Factory seit zwei Jahren rheinhessischen Dornfelder, Merlot und Riesling in Dosen für den US-Markt abfüllen. Der Umsatz verdopple sich mit jedem Jahr, auch in Osteuropa und Asien sei das Interesse groß, sagt Geschäftsführer Ingo Nassau. Vom deutschen Einzelhandel höre er dagegen nur: "Das trinkt doch keiner!"

Ähnlich in Frankreich: Das Weingut Château Maris, vom Magazin Wine Spectator zu den nachhaltigsten Kellereien der Welt gezählt, beliefert die britische Nobelsupermarktkette Waitrose mit Dosen. Ökologisch gebe es gute Argumente dafür, heißt es bei Château Maris. Das Material werde besser. Rechne man Transport und Recycling ein, sei die CO₂-Bilanz der Dose niedriger als die der Glasflasche. Trotzdem verkaufe sich Dosenwein in Frankreich noch nicht, sagt eine Mitarbeiterin, "Franzosen haben ja schon Probleme, Schraubverschlüsse zu akzeptieren".

Auch auf Château Maris glaubt man: Die Dose wird sich etablieren. Auf der Düsseldorfer Messe Pro Wein wurde im März erstmals Dosenwein verkostet. Es sprächen mehr Gründe für die Dose als gegen sie, schrieb der Weinkritiker Stuart Pigott, der nur ein Hindernis sieht: Ihr "Ruf als Tankstellengesöff".

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