Nahverkehr:MVG plant Bahnsteigtüren für U-Bahnen

Die automatischen Bahnsteigtüren sollten auch dafür sorgen, dass nichts und vor allem niemand mehr auf Gleise fallen kann.

Die automatischen Bahnsteigtüren sollten auch dafür sorgen, dass nichts und vor allem niemand mehr auf Gleise fallen kann. Nach der tödlichen Attacke auf einen Achtjährigen in Frankfurt wird das Thema gerade viel diskutiert.

(Foto: Wolfgang Wellige/MVG)
  • Fast jeden Tag fallen Personen, Tiere oder Gegenstände auf die Gleise und legen den Zugverkehr lahm.
  • In einem Pilotprojekt am Olympiazentrum werden Bahnsteigtüren von 2023 an getestet, erst in den Jahren danach könnten alle 100 Münchner U-Bahnhöfe ausgestattet werden.
  • Am Montag hatte in Frankfurt ein Mann eine Mutter und ihren Sohn vor einen ICE gestoßen. Die Tat sei aber nicht der Auslöser für den Test, sagte der MVG-Chef.

Von Andreas Schubert

Die Münchner U-Bahnen sollen Bahnsteigtüren bekommen. Doch bis dieses Projekt flächendeckend verwirklicht ist, werden wohl mindestens 20 Jahre vergehen. Eine Pilotphase am U-Bahnhof Olympiazentrum soll 2023 starten. Vorher muss die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ein neues Leitsystem für die U-Bahnen einführen, das ein genaues Halten der Züge ermöglicht.

Jetzt hat eine Machbarkeitsstudie ergeben, dass ein automatisches Türsystem, das Stürze ins U-Bahngleis verhindert, grundsätzlich machbar ist. Wie MVG-Chef Ingo Wortmann am Freitag sagte, habe das Thema eine "traurige Aktualität" bekommen, nachdem am Montag ein Mann in Frankfurt eine Mutter und ihren Sohn vor einen ICE gestoßen hatte und der achtjährige Bub dabei ums Leben kam. Die Tat ist nach Angaben der MVG aber nicht der Auslöser, dass sie jetzt ihre Pläne vorstellt. Man arbeite bereits seit zwei Jahren daran.

Bahnsteigtüren in U-Bahnhöfen dienen nicht nur der Sicherheit der Passagiere, sie sollen auch den Betrieb stabiler machen. Laut Wortmann kommt es fast jeden Tag vor, dass Personen, Tiere oder Gegenstände auf die Gleise fallen. Geschieht das in der Hauptverkehrszeit, kommt es auch noch Stunden später zu Zugausfällen und Verspätungen.

Dass es in München bisher noch keine Bahnsteigtüren gibt, liegt am System. So ist die bisherige sogenannte Linienzugbeeinflussung (LZB) nicht in der Lage, die Züge so punktgenau halten zu lassen, wie es für die Türen nötig wäre. Der Einbau von Bahnsteigtüren galt zudem lange als technisch zu aufwendig, da die U-Bahnstationen, wie es Wortmann ausdrückt, "Altbauten" sind und an den Bahnsteigen statische Probleme befürchtet wurden. Zudem sind heute noch verschiedene Zugtypen mit unterschiedlichen Türabständen unterwegs. Die komplette Umstellung auf ein und dieselbe U-Bahn-Baureihe dauert zwar noch eine Weile, ist aber bereits im Gange. Derzeit sind 21 Züge vom Typ C2 im Einsatz. Von Herbst dieses Jahres an bis zum Jahr 2022 sollen 24 weitere nach und nach in Betrieb genommen werden.

Für die Züge gibt die MVG 250 Millionen Euro aus. Wie teuer die Bahnsteigtüren wären, dazu macht die Verkehrsgesellschaft keine Angaben, nur so viel: Der auf ein bis zwei Jahre angelegte Testbetrieb am Olympiazentrum wird mehr als eine Million Euro kosten. Bei etwa 220 Bahnsteigen in den derzeit 100 Münchner U-Bahnstationen würde also mindestens ein dreistelliger Millionenbetrag fällig werden. Das Olympiazentrum wurde als Testfeld ausgewählt, weil es dort vier Gleise gibt. Bei Pannen können die Züge auf ein anderes Gleis umgeleitet werden. Läuft der Test gut, sollen zunächst Stationen nachgerüstet werden, an denen viel los ist, etwa Marienplatz oder Theresienwiese.

Aber zunächst steht bei der MVG die Digitalisierung und die Umstellung der Zugbeeinflussung auf die "Communication Based Train Control" (CBTC) an. Die ersten Streckenabschnitte sollen von 2023 an damit ausgerüstet werden. Dann werden Züge automatisch per Funk miteinander sowie etwa mit der Signaltechnik kommunizieren, was es den Fahrern ermöglicht, dichter hintereinander zu fahren, also im Bremsweg-Abstand. Bisher müssen die Fahrer feste Blockabstände einhalten, was immer wieder dazu führt, dass ein Zug warten muss, bis der Zug vor ihm einen bestimmten Streckenabschnitt verlassen hat. Das hat zur Folge, dass in München bisher keine dichteren Takte möglich sind.

Erst mit CBTC wird ein durchgängiger Zwei-Minuten-Takt möglich sein, der ist in Zeiten stetig steigender Fahrgastzahlen dringend nötig. 2018 fuhren rund 413 Millionen Menschen mit der Münchner U-Bahn. Das sind 15 Millionen mehr als drei Jahre zuvor. Bis allerdings die neue Linie U 9 die heute chronisch überfüllten Innenstadtlinien entlasten wird, vergehen voraussichtlich noch rund 20 Jahre. Ob die MVG ihre U-Bahnen dann auf autonomen Betrieb umstellt und ob die U 9 vielleicht schon als erste fahrerlose Linie durch den Untergrund rollt, ist aber noch offen.

Fest steht: Bahnsteigtüren werden bei der U 9 selbstverständlich sein. Ob auch die Deutsche Bahn ihre S-Bahnstationen dereinst nachrüstet, lässt eine Bahnsprecherin noch unbeantwortet. Man wolle den Gesprächen der Bahn mit der Bundesregierung zum Thema Sicherheit nicht vorgreifen. Dass dies kein einfaches Thema ist, liegt auf der Hand: Der für Bahnsteigtüren nötige Umbau von 5700 DB-Stationen in Deutschland wäre kaum bezahlbar. Und auf den Regional- und Fernstrecken der Bahn sind diverse Zugtypen unterwegs, was Bahnsteigtüren, wie bei der Münchner U-Bahn geplant, unmöglich macht.

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