Gleichberechtigung:Eine Chance für Frauen

Dass ein SZ-Autor schreibt, Männer würden für die Fehler ihrer Vorfahren bestraft, finden einige Leserinnen nicht nachvollziehbar. Das Gegenteil sei der Fall: Frauen würden immer noch häufig diskriminiert.

Internationaler Frauentag - Hamburg

Gleichberechtigung oder die Bevorzugung von Frauen? Die Technische Universität Eindhoven hat ein Fellowship-Programm ausgeschrieben, auf das sich sechs Monate lang nur Frauen bewerben können.

(Foto: dpa)

Zu "Unter falschem Namen" vom 22./23. Juni:

Unbewusst voreingenommen

Es gibt zum Thema Frauen in der Wissenschaft viele Untersuchungen, eine davon wurde vor einigen Jahren veröffentlicht. Man hatte eine identische fiktive Bewerbung an verschiedene Institutionen geschickt. Der einzige Unterschied war, dass der Vorname der Person bei der Hälfte der Bewerbungen eindeutig männlich und bei der anderen Hälfte eindeutig weiblich war.

Es stellte sich heraus, dass die vermeintlich männliche Person deutlich öfter zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Daran kann man leicht erkennen, dass Personalentscheidungen, obwohl das oft behauptet wird, nicht objektiv sind. Vielmehr gibt es einen "unconcious bias", unbewusste Voreingenommenheit, der mit Erziehung und Sozialisation zu tun hat. Diese Erfahrungen wirken bei jeder Entscheidung mit. Allerdings hilft es, wenn man sich dessen bewusst ist. Auch die sogenannte homosoziale Kooptation spielt eine Rolle, getreu dem Motto "Gleich und Gleich gesellt sich gerne". Da, wie Herr Weber selbst schreibt, Frauen bei den Professuren in der Minderheit sind, sitzen folglich in den Berufungskommissionen, die über die Kandidaten entscheiden, zu einem großen Teil auch Männer. Die entscheiden dann auch darüber, wer der oder die Beste ist, das heißt, sie legen die Qualitätskriterien fest und stellen dann Personen ein, die zu ihnen passen, also Männer.

Prof. Dr. Birgitta Wöhrl, Bayreuth

Nur Worthülsen

Zu "Der Stern und der Unterstrich sind gar nicht sinnvoll" vom 16. Juli:

Was die Geschlechterpsychologin vorschlägt, ist zweigeschlechtlich, nicht "gendergerecht". Sie erhebt das Missdeuten allgeschlechtlicher Gattungsbegriffe zum Maßstab. Die Ingenieurin ist in der Grundeigenschaft Ingenieur; und sie bleibt Teil der Gesamtheit Ingenieur. Oder meinen Feministen, frau könne nicht Ingenieur? Jedenfalls behaupten sie seit Jahrzehnten, Frauen verstünden Gattungsbegriffe nicht. Und betrachten diejenigen, die nicht ausgesondert sein wollen, als Verräter. Neulich titelte eine Zeitung, in Burkina Faso sei ein Drittel der Hebammen Männer. Der deutsche Entbindungspfleger indes klingt spröde. Beruf oder Stellung ändern ihr Geschlecht nicht mit dem Inhaber. Wer im Beruf nur von einem Geschlecht weiß, ändert seine Sicht nicht mittels Worthülsen, sondern durch Wandel.

Ulrich J. Heinz, Marburg

Frauenfeindliche Gesellschaft

Frauen werden nach wie vor überall täglich "für die Fehler der Vergangenheit bestraft" - nicht nur beim Gender Pay Gap, bei den Behördenkämpfen, die alleinerziehende Mütter ausfechten müssen, beim Rentenelend und, ja, auch bei der beharrlich herrschaftlichen Sprache der Süddeutschen Zeitung, in der Frauen kaum je sichtbar werden. Kein Wunder, dass keine Autorin bereit war, einen so frauenfeindlichen Kommentar zu schreiben. So etwas darf überhaupt nicht mehr geschrieben werden, das ist voriges Jahrhundert.

Bettina Kenter, Germering

Ein Hintertürchen bleibt offen

Im Rahmen eines neuen Fellowship-Programms an der Technischen Universität Eindhoven (TUE) dürfen sich ab dem 1. Juli nur noch Frauen um die Tenure-Track-Positionen bewerben, die nach fünf Jahren zu einer unbefristeten Professur führen sollen. Erst wenn sich sechs Monate lang keine Frau findet, dürfen dann auch Männer ran. Und sofort beschwert sich da ein Mann, dass hier Männer der Gegenwart für die Fehler der Vergangenheit bestraft werden und schwadroniert obendrein auch noch etwas von womöglich bestehenden Unterschieden bezüglich mancher Fähigkeiten bei Männern und Frauen und dass so etwas doch nicht zur Auswahl der Besten führt - so einen Schmarrn kann wohl auch nur ein Mann verzapfen.

Ich hingegen frage mich, warum eigentlich die Frauen in der Gegenwart immer noch bestraft werden, die bereits in der Vergangenheit bei den Stellenbesetzungen benachteiligt wurden? Wenn nun jüngere Frauen endlich eine Chance bekommen, haben sie ja schließlich nichts davon. Sie sind die eigentlichen Verlierer und könnten sich im Gegensatz zu Männern zu Recht beschweren. Sie wurden und werden einfach weiter benachteiligt. Wenn Männer keinen Nachteil haben, scheint das aber in Ordnung zu sein.

Im Übrigen wird sich auch erst noch herausstellen müssen, ob Männer hier überhaupt einen Nachteil haben, denn die Universität wird wohl kaum ungeeignete Kandidatinnen einstellen, nur weil sie Frauen sind, wie der Autor des Kommentars scheinbar glaubt. Frauen werden ihre Kompetenz nachweisen müssen. Bleibt zu hoffen, dass dessen Kompetenz dann auch genauso gründlich überprüft wird, denn hier bleibt ein Hintertürchen sperrangelweit offen, Frauen auch weiter zu diskriminieren. Und angesichts der Erfahrungen, die wir Frauen mit wirkungslosen Vorgaben zur Gleichstellung aus der Politik bisher machen mussten, ist da wohl ein Quäntchen Misstrauen durchaus angebracht.

Sabine Hartl, München

Über Quote kann man diskutieren

Wenn ich am Ende des Kommentars von Christian Weber lese, dass sich "keine Kollegin für das Verfassen dieses Kommentars beworben" habe, dann gehe ich davon aus, dass die Frauen in der SZ-Redaktion nicht nur kompetent, sondern auch zu clever sind, als dass sie sich für einen Kommentar derartigen Tenors hergäben. Sicherlich kann man - wie Herr Weber ja auch selbst schreibt - über die Ausgestaltung einer Quote zur Verbesserung des Frauenanteils trefflich diskutieren; ein solches Niveau allerdings, wie es der Kommentar bietet, habe ich in der Süddeutschen Zeitung nicht erwartet.

Dr. Doris Schawaller, Berlin

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