Neue Produktionslinie:Airbus setzt wohl auf Toulouse statt Hamburg

Inside The Airbus SE Assembly Facility Ahead Of Durable Goods Figures

Airbus will offenbar die Endmontage von Flugzeugen in Toulouse ausweiten.

(Foto: Luke Sharrett/Bloomberg)
  • Flugzeughersteller Airbus zieht offenbar Konsequenzen aus den Produktionsproblemen im Werk Hamburg.
  • Das Unternehmen plant, die Kapazität für Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge am Hauptsitz Toulouse auszuweiten.
  • Mittelfristig könnte allerdings auch das Werk im chinesischen Tianjin mehr Flugzeuge bauen. Denn besonders in China sieht Airbus Potenzial.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Flugzeughersteller Airbus zieht offenbar Konsequenzen aus den Produktionsproblemen im Werk Hamburg. Das Unternehmen plant, die Kapazität für Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge am Hauptsitz Toulouse auszuweiten. So will es sicherstellen, dass nach zuletzt gravierenden Verspätungen künftig Liefertermine besser eingehalten werden können. Diese Pläne sind Teil einer internen Studie, die bis Jahresende abgeschlossen werden soll. Einem Sprecher zufolge ist die Sache zwar noch nicht entschieden, Toulouse liege bei den Überlegungen aber vorne.

Der Umbau der Produktion wäre die erste gravierende Entscheidung des neuen Airbus-Managements unter Vorstandschef Guillaume Faury und dem Produktionsvorstand Michael Schöllhorn. Das Vorhaben ist politisch sensibel, weil es die lange geltende Aufteilung der Produktion zwischen Toulouse, Hamburg und den anderen beiden Montagestandorten Mobile/USA und Tianjin/China tangiert. Andererseits hat vor allem Hamburg zuletzt von der Marktentwicklung massiv profitiert und arbeitet derzeit, gemessen an Engpässen und Lieferverzögerungen, jenseits der Kapazität.

Airbus betreibt derzeit acht Endmontagelinien für Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge der A320/A320neo-Familie: zwei in Toulouse, jeweils eine in Mobile und Tianjin sowie vier in Hamburg. In Toulouse werden die Versionen A319 und A320 gebaut. In Hamburg werden die A319, A320 und A321 gefertigt; die vierte, stark veränderte und automatisierte Linie wurde hier erst 2017 eingeführt. Weil die Nachfrage nach größeren Flugzeugen in den vergangenen Jahren massiv gewachsen ist, wurde die Produktion der A321 und A321neo stark ausgeweitet. Rund 40 Prozent der Aufträge der aktuellen A320neo-Familie entfallen auf die größte Version, in Hamburg mittlerweile fast die Hälfte der Produktion.

Die A321 hat Platz für bis zu 240 Passagiere, in eine A320 passen nur rund 180. Das ist auch Teil des aktuellen Problems. Airbus hat in den vergangenen Jahren die neue Kabinenkonfiguration "Cabin Flex" eingeführt, zudem neue Versionen der A321neo für Langstrecken. Laut Produktionsvorstand Schöllhorn verursacht allein die komplexere "Cabin Flex"-Kabine 30 Prozent mehr Arbeit als die herkömmliche A321. Denn bei ihr sind unter anderem die Notausgänge neu arrangiert. Für die Langstreckenvarianten steigt der Aufwand noch einmal um bis zu 15 Prozent.

Airbus hat das Problem anfangs unterschätzt und weiterhin mit massiven Lieferschwierigkeiten bei den einschlägigen A321neo-Varianten zu kämpfen. Unternehmenschef Faury sprach zuletzt zwar von deutlichen Verbesserungen, doch die Kunden sehen das anders: Willie Walsh, Chef der International Airlines Group (IAG), nannte die Verspätungen in der vergangenen Woche "inakzeptabel". Doch die Airbus-Produktion soll noch weiter expandieren: In diesem Jahr sollen 60 Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge pro Monat montiert werden, in den ersten sechs Monaten waren es im Durchschnitt 52. Die Rate soll 2021 dann auf 63 Maschinen pro Monat erhöht werden.

Schöllhorn zieht nun Konsequenzen. Airbus brauche im Produktionssystem "eine größere Flexibilität, um auch Hamburg zu entlasten", sagt er. "Wir müssen unsere Kapazitäten in der Endmontage zeitnah, ab 2022, angepasst haben, damit wir auch in Zukunft die größere Kundennachfrage nach A321-Langstreckenjets termingerecht bedienen können." Es deutet also alles darauf hin, dass nun wieder Toulouse zum Zug kommt.

In Frankreich läuft die Produktion des A380 aus

Denn während Hamburg aus allen Nähten platzt, wird am Stammsitz schon bald Kapazität frei. In zwei Jahren läuft dort die Produktion des Langstreckenflugzeugs A380 aus. Die riesigen Hangars bieten mehr als genug Platz und müssen genutzt werden - da erscheint es wenig sinnvoll, an anderen Standorten Geld in neue Anlagen zu investieren. Zumal diese voraussichtlich nicht schnell genug fertig würden. Mittelfristig könnte allerdings auch das Werk im chinesischen Tianjin mehr Flugzeuge bauen. Denn besonders in China sieht Airbus Potenzial für die A321. Derzeit werden dort monatlich sechs Maschinen gebaut.

Politisch sensibel ist die Angelegenheit, weil grob vereinbart ist, dass Toulouse der Schwerpunkt für die Langstreckenflugzeuge sein soll und Hamburg das Zentrum für die Kurz- und Mittelstreckenmaschinen. Daran wird sich, so Airbus, nichts ändern: Die Programmleitung bleibt in Hamburg. Auch der Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, Thomas Jarzombek (CDU), gibt sich vorerst entspannt. "Airbus hat in jüngster Zeit viel für Hamburg getan und dort investiert, das schätzen wir wert", sagte er der Agentur Reuters. Die Bundesregierung wolle, dass Standortentscheidungen der Wettbewerbsfähigkeit dienen müssten und nicht politischen Erwägungen. "Sollten wir den Eindruck haben, aus anderen Ländern werden andere Ziele verfolgt, stellen wir uns dem entgegen", sagte Jarzombek.

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