Vor Gericht in Landshut:Schwierige Suche nach der Wahrheit

Vor Gericht in Landshut: Am Landgericht Landshut muss sich ein 21-Jähriger wegen versuchten Totschlags verantworten. Er beteuert, in Notwehr gehandelt zu haben.

Am Landgericht Landshut muss sich ein 21-Jähriger wegen versuchten Totschlags verantworten. Er beteuert, in Notwehr gehandelt zu haben.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Ein 21-Jähriger ist am Landgericht wegen versuchten Totschlags angeklagt. Er selber will in Notwehr gehandelt haben. Zeugen wollen aber nicht aussagen und erscheinen auch nicht zu einer Anhörung mittels Videokonferenz aus Polen.

Von Gerhard Wilhelm, Landshut/Eitting

Am Landgericht Landshut muss sich derzeit ein 21-jähriger Pole wegen versuchten Totschlags verantworten. Er soll in einer Arbeiterunterkunft in Gaden einen anderen Leiharbeiter im Streit mehrmals gegen den Kopf getreten sowie zweimal mit dem Messer in den Rücken gestochen haben. Der Angeklagte indes sagt, er habe nur in Notwehr gehandelt. Problematisch für das Schwurgericht unter Vorsitz von Richter Markus Kring ist die Wahrheitsfindung insofern, da alle relevanten Zeugen eine Aussage in Deutschland verweigert haben. Am Donnerstag sollten nun drei Zeugen mittels Videokonferenz aussagen. Die Übertragung fand aus einem polnischen Justizgebäude statt. Doch nur einer der Zeugen erschien.

Der Streit in der Arbeiterunterkunft war laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft heftig. Am Tag der Auseinandersetzung, dem 29. September 2018, sollen der Angeklagte und sein späteres Opfer unabhängig voneinander "Alkohol in größeren Mengen" getrunken haben - auch Wodka. Gegen 17.29 Uhr sei dann der Angeklagte ins Zimmer mit dem Geschädigten. Dort sei der damals 20-Jährige sehr aggressiv erst verbal und dann mit der Faust auf seinen Kollegen losgegangen. Er habe dabei sinngemäß geäußert, dass er alle fertig machen werde. Sein Opfer habe sich zunächst nur durch Wegstoßen verteidigt und sei in den Flur ausgewichen.

Die Zeugen sollen den Angeklagten aufgefordert haben, aufzuhören

Dort endete die Auseinandersetzung allerdings nicht, wie die Staatsanwaltschaft sagt. Der Angeklagte habe nachgesetzt und in der Nähe eines Spindes weiter auf den Kollegen eingeschlagen. Der sei zu Boden gestürzt und habe dabei den Spind mit sich gerissen. Dort habe er sich zusammen gekauert und seine Arme schützend über seinen Kopf gehalten, während der Angeklagte zwei bis drei Mal mit seinem rechten Fuß in Turnschuhen auf den Kopf und Richtung Gesicht getreten habe; und zwar jedes Mal mit Schwung. Schließlich habe er den Spind genommen und ihn auf den Geschädigten fallen lassen.

An dem Zeitpunkt kommen die Zeugen ins Spiel. Sie hätten den Angeklagten, der völlig in Rage gewesen sei, aufgefordert aufzuhören. Der 20-Jährige hat sich zwar, wie die Ermittlungen ergaben, ein wenig beruhigt, aber weiter mit dem Fuß gegen Kopf, Bauch und Rücken getreten, ehe er aufgehörte und in ein anderes Zimmer ging. Dort habe er sich ein Messer mit 21 Zentimeter Klingenlänge vom Fensterbrett gegriffen. Zurück im Flur habe er das Messer dem immer noch am Boden Liegenden zweimal in den Rücken gestochen. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft, um den Mann zu töten. Erst als die beiden Zeugen aktiv eingegriffen hätten, habe der Angeklagte abgelassen und sein Opfer habe aus dem Haus fliehen können.

Die Ärzte stellten später fest, dass der Mann trotz der Tritte und Messerstiche nur sehr viele Hämatome erlitten hatte und nur ein Messerstich sei 15 Zentimeter tief eingedrungen. Beim Angeklagten wurden hingegen nach seiner Festnahme Brüche von Wange und Augenhöhle festgestellt.

Von polnischer Seite wurde erklärt, das keiner der geladenen Zeugen erschienen sei

Bereits beim ersten Verhandlungstermin war eine Videokonferenz mit dem Opfer, das sich derzeit in Holland aufhält, gescheitert. Von polnischer Seite wurde gleich zu Beginn der Übertragung erklärt, das keiner der beiden am Vormittag geladenen Zeugen erschienen sei. Richter Kring bat daraufhin zu klären, ob die Vorladungen der polnischen Justiz rausgegangen und bei den Zeugen angekommen seien. Danach folgte Warten und alle Beteiligten konnten sich knapp 25 Minuten auf dem Monitor eine graue Wand mit einer geschlossenen braunen Türe, einem Kleiderständer und einem Mikrofon auf einem Ständer ansehen, bis der Vorsitzende Richter die Verhandlung unterbrach.

Kurze Zeit später öffnete sich die Tür wieder. Die Aussage der polnischen Inspektorin freute Richter Kring jedoch nicht. In Polen sei man davon ausgegangen, dass die deutsche Justiz geladen habe. Doch dies, so Kring, entspreche nicht der Rechtslage, da die Zeugen in Deutschland bereits die Aussage verweigert gehabt hätten. Die polnische Seite versprach, die Zeugen per Polizei zum nächsten Verhandlungstermin am 13. August einzubestellen - wieder zur Videokonferenz. Bereits am ersten Verhandlungstag hatte Kring angesichts einer eher desinteressierten Haltung der polnischen Gerichte bezweifelt, dass es zu Aussagen kommen würde. Eine Aussage machte nur der dritte Zeuge am Nachmittag. Er gab an, vieles nicht mehr zu wissen und widersprach in großen Teilen dem Protokoll bei der Polizeibefragung. Seine Aussage belastete sowohl den Angeklagten als auch dessen Opfer.

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