Debatte:Schluss damit. Schluss damit?

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Die SPD will Reste des Soli erhalten, die Union nicht, und die FDP droht mit einer Klage vorm Verfassungsgericht.

Von Detlef Esslinger

Soll der Soli größtenteils abgeschafft werden oder besser ganz? Gleich nachdem Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) seinen Gesetzentwurf fertig hatte, hob am Wochenende diese Debatte wieder an.

Scholz selbst äußerte sich nicht, er ließ sozusagen den Entwurf für sich selbst sprechen. Für seine Partei ergriff Achim Post das Wort, derjenige der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, der für Finanzen zuständig ist. "Eine vollständige Abschaffung des Soli lehnt die SPD ab", sagte Post. "Wir wollen Schritt für Schritt mehr Steuergerechtigkeit erreichen, sicher aber nicht milliardenschwere Steuergeschenke verteilen. Das Geld könnten wir besser für Investitionen in Bildung und Klimaschutz gebrauchen."

Post ignoriert damit nicht den Koalitionsvertrag - zwar sieht der eine Soli-Kürzung im Jahr 2021 nur als "ersten Schritt" vor. Aber der Vertrag gilt ja auch nur bis zu jenem Jahr, spätestens dann ist wieder Bundestagswahl. In der Union hingegen wurde am Sonntag ausdrücklich Wert auf den nächsten, den zweiten Schritt also gelegt. Ralph Brinkhaus, Chef der CDU/CSU-Fraktion: "Wir halten weiter an dem Ziel fest, den Soli abzuschaffen." Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe: "Die Komplettabschaffung muss in der nächsten Wahlperiode erfolgen." Carsten Linnemann, Chef der Mittelstandsvereinigung: "Das wäre verfassungskonform."

Dieses Adjektiv ist nicht einfach so dahergesagt. Es spielt an auf einen Streit, den vor allem die FDP seit Längerem führt: ob nicht jeder Cent Solidaritätszuschlag, der vom 1. Januar an noch erhoben wird, in Wahrheit verfassungswidrig ist. Der Soli wurde 1995 mit der Begründung eingeführt, dass es für den Aufbau Ost zusätzlichen Finanzbedarf gibt. Grob gesagt wurden mit ihm die beiden Solidarpakte dafür finanziert. Der Solidarpakt II läuft Ende 2019 aus. Daraus folgt, dass die "Sonderlage einer besonderen Aufbauhilfe zugunsten der Neuen Länder als beendet erachtet werden" kann - so steht es in einem Gutachten, das Hans-Jürgen Papier, der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, im März für die FDP-Fraktion geschrieben hat. Mit dieser Ansicht steht Papier keinesfalls allein. Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs, sagt: "Die Grundlage für den Solidaritätszuschlag fällt Ende 2019 weg. Wie im Fall der Kernbrennstoffsteuer ist die Gefahr real, dass der Bund zu milliardenschweren Steuerrückzahlungen verurteilt wird."

Und Kläger sind bereits unterwegs. Michael Sell, der von Olaf Scholz gefeuerte langjährige Chef der Steuerabteilung im Bundesfinanzministerium, berät eine Gruppe von Bürgern, die der Bund der Steuerzahler mobilisiert hat: Sie sollen vor Finanzgerichten in ganz Deutschland ihre Vorauszahlungsbescheide für 2020 anfechten.

Die FDP hingegen braucht nicht durch die Instanzen zu gehen; ihre Bundestagsfraktion kann sich direkt ans Verfassungsgericht wenden. Parteichef Christian Lindner sagte am Sonntag, sollte Scholz keinen Pfad für die komplette Abschaffung des Soli aufzeigen, "werden Tausende Steuerzahler und die FDP bis Karlsruhe klagen". Sein Vize Wolfgang Kubicki wagt bereits eine Prognose, wie das ausgehen wird: Falls die Union sich mit den Plänen von Scholz begnüge, werde sie "krachend in Karlsruhe scheitern".

© SZ vom 12.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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