Guatemala:Bloß weg hier

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  • Der neue Präsident Guatemalas heißt Alejandro Giammattei.
  • Der Rechtskonservative versprach, das Land aufzubauen, ließ aber offen, wie genau er sich das vorstellt.
  • Nur eine Minderheit der Guatemalteken glaubt, dass sich unter dem 63-jährigen vieles zum Guten wenden wird.

Von Sebastian Schoepp

Die Wahlbeteiligung sagt alles: Knapp 41 Prozent der Wahlberechtigten gingen am Sonntag zur Stichwahl um das Präsidentenamt in Guatemala, wie die größte Tageszeitung Prensa Libre am Montag berichtete. Das heiße, war dort zu lesen, dass die Mehrheit der Guatemalteken beide Kandidaten abgelehnt habe. Angetreten waren der frühere Chef der Gefängnisverwaltung, Alejandro Giammattei, ein Rechtskonservativer, der knapp 59 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt, und nun vier Jahre Präsident sein wird. Seine Gegnerin war die sich selbst als Sozialdemokratin einstufende Sandra Torres, die 41 Prozent erhielt und die im Wahlkampf vor allem durch harsches Auftreten und sich ständig widersprechende Aussagen aufgefallen war.

Giammatteis Sieg deutet darauf hin, dass die Mehrheit der Minderheit zur Abwechslung mal wieder einen Präsidenten wünscht, der mit harter Hand regieren und so mit der Gewaltkriminalität aufräumen will. Kriminalität und Armut sind die Geißeln des mittelamerikanischen Landes, die Mordrate gehört zu den höchsten der Welt, wenige Reiche und kriminelle Drogenbanden kontrollieren das Land. Nach UN-Angaben leben 70 Prozent der 18 Millionen Guatemalteken in Armut.

Guatemala
:Konservativer Giammattei siegt bei Stichwahl um Präsidentschaft

59 Prozent aller Wähler geben Alejandro Giammattei ihre Stimme. Möglicherweise wird nun auch ein zuletzt geschlossenes Flüchtlingsabkommen mit den USA noch einmal verhandelt.

Beides einzudämmen hat noch keiner der demokratischen Präsidenten Guatemalas der vergangenen Jahrzehnte geschafft, was zu zwei Konsequenzen geführt hat: zum einen zu dem gewaltigen Flüchtlingsstrom Richtung Norden in die USA, eine Tatsache, die das so gut wie vergessene Land auf die geopolitische Landkarte zurückgebracht hat; und zum anderen hat es dazu geführt, dass sich nur noch eine Minderheit von 35 Prozent etwas von Wahlen verspricht, wie eine BBC-Umfrage vor dem ersten Durchgang im Juni ergab.

Unter den gescheiterten Präsidenten der vergangenen Jahre waren gegensätzliche Figuren wie der Fernsehclown Jimmy Morales, der selbsterklärte Sozialdemokrat Álvaro Colom oder der Ex-General Otto Pérez Molina. Gemeinsam hatten Letztere, dass sie nach Ende ihrer Amtszeiten wegen Korruption zur Verantwortung gezogen wurden, was dem Ruf der Demokratie weiteren Schaden zugefügt hat. Wie lästig den Politikern Ermittlungen sind, zeigt die Tatsache, dass Morales der UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (Cicig) die Tür wies, ihr Mandat läuft im September aus.

Er ist ein Mann der Oberschicht, die sich von ihm vor allem ungestörtes Wirken erhofft

Nur eine Minderheit der Guatemalteken glaubt, dass sich unter dem 63-jährigen Giammattei vieles zum Guten wenden wird. Das Mandat der Cicig wird er wohl nicht verlängern. Seine Vergangenheit hat ihm eine eher zweifelhafte Reputation eingetragen: Wegen eines blutigen Einsatzes der Sicherheitskräfte in einer Haftanstalt im Jahr 2006 - während seiner Zeit als Chef der nationalen Gefängnisverwaltung - saß er fast ein Jahr lang in Untersuchungshaft. Letztlich wurde Giammattei aber freigesprochen. Er versprach nun, "das Land wieder aufzubauen", ließ aber weithin offen, wie er sich das vorstellt. Er ist ein Mann der Oberschicht, die sich von ihm vor allem ungestörtes Wirken erhofft. Die Zeitung Prensa Libre empfahl ihm in der Wahlnacht, sich von so manchem obskuren Berater zu trennen.

Aktionismus zeigt Giammattei allerdings eher in einer andere Richtung. Er hat angekündigt, er wolle das von seinem Vorgänger ausgehandelte Abkommen mit den USA abändern, das Guatemala zum sicheren Drittstaat erklärt. Das allerdings nicht aus der Einsicht heraus, dass Guatemala alles andere als ein sicherer Drittstaat ist - sondern, weil Giammattei keine Flüchtlinge aus Nachbarstaaten wie Honduras oder EL Salvador will, die Guatemala auf dem Weg in die USA passieren müssen und in denen es zum Teil noch schlimmer aussieht. Guatemala hat eine gemeinsame Grenze mit Mexiko, dort patrouilliert inzwischen die neue mexikanische Nationalgarde, die eigentlich geschaffen wurde, um Drogenkartelle zu bekämpfen. Zur strengeren Grenzsicherung hatte US-Präsident Donald Trump die Mexikaner genötigt, indem er ihnen mit Zöllen drohte, die die auf den Export in die USA angewiesene Wirtschaft des Landes geschädigt hätten.

Migration ist für eine Mehrheit der armen Guatemalteken derzeit die einzige Option für ein besseres Leben. Anderthalb Millionen von ihnen leben bereits in den USA, die ohne Papiere nicht mitgerechnet; ihre Überweisungen sind die wichtigste Einnahmequelle der meisten Familien in Mittelamerika. Von den Hunderttausenden Flüchtlingen aus der caravana migrante, die in den vergangenen Monaten versucht haben, illegal in die USA zu gelangen, stammen die meisten aus Guatemala.

Zwar haben Investitionen, zum Teil aus Geldwäsche, zuletzt sogar zu einem Wachstum von 3,5 Prozent geführt, doch davon profitieren nur wenige, vor allem die Oberschicht. Pessimistisch schließt der Kommentator von Prensa Libre: Nur wenn sich die wichtigen gesellschaftlichen Gruppen zusammentäten, um das politische System aus Spielzeugparteien zu überwinden, sei der Zusammenbruch Guatemalas aufzuhalten.

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