Gefährliche Körperverletzung in Karlsfeld :Messerstecher muss in Haft

Prozess gegen ´Froschbande"

Das Landgericht München verureteilt einen 45-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft.

(Foto: dpa)

Das Landgericht verurteilt einen 45-Jährigen zu einer dreieinhalbjährigen Gefängnisstrafe, weil er einem 37-Jährigen eine Klinge in den Hals rammte. Das Opfer des Angriffs hatte großes Glück.

Von Christiane Bracht, München/Karlsfeld

Nur knapp hatte ein 37-jähriger Karlsfelder Mitte September vergangenen Jahres einen Streit mit seinem Bekannten überlebt. Nach anfänglichen verbalen Sticheleien und Beleidigungen gerieten die beiden Kontrahenten heftig aneinander - mehrmals sogar. Irgendwann zückte der 45-Jährige sein Schweizer Taschenmesser und stach kraftvoll in den Hals des 37-Jährigen. Dabei verpasste er nur um Millimeter die Halsschlagader des Karlsfelders.

Die Staatsanwältin erkannte darin eine versuchte Tötung: "Wenn nicht sofort medizinische Hilfe kommt, wusste er, dass das tödlich endet", sagte sie in ihrem Plädoyer am Montag vor dem Schwurgericht am Landgericht München II. Doch die Richter sahen das anders. Sie verurteilten den 45-Jährigen schließlich wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft. Ein Großteil der Strafe soll der Mann in einer Entziehungsanstalt absitzen, um von seiner Alkoholsucht los zu kommen. Denn sonst bestünde die Gefahr, dass er weitere Taten begehen werde, so die Richter.

Der Streit beginnt in der Kneipe

Vor dem eskalierenden Streit im vergangenen Jahr in seiner Stammkneipe soll er acht bis zehn Bier konsumiert haben, doch ohne irgendwelche Ausfallerscheinungen zu haben. Es gehörte offenbar zum täglichen Pensum. Er saß mit Freunden in seiner Stammkneipe, der 37-Jährige kam später dazu und begann sofort den Angeklagten zu provozieren, indem er versuchte ihn als arbeitslosen Nichtsnutz, der seiner Freundin nur auf der Tasche liege, zu diffamieren. Dies traf den Angeklagten offenbar ins Mark, auch wenn er anfangs konterte. Und so kam es nach der letzten Runde vor der Kneipe, als die beiden Kontrahenten allein waren, zu einer Schubserei, die der Richter als "Schulhofgerangel" klassifizierte. In dessen Verlauf ging der 37-Jährige zu Boden und zog sich mehrere Prellungen im Gesicht sowie eine Platzwunde unter dem rechten Auge und am Nasenrücken zu. Ein Anwohner beobachtete dies vom Fenster aus. Kurz darauf gewann der Verletzte die Oberhand, nahm den Angeklagten in den Schwitzkasten und ließ ihn zappeln, bis er sich beruhigt hatte. Die beiden Männer gingen auseinander. Der Angeklagte in Richtung Bushaltestelle vor der evangelischen Kirche, der andere machte sich zu Fuß auf den Heimweg.

Doch an der Allacher Straße kurz vor dem Bushäuschen trafen sie wieder aufeinander. Es kam erneut zu einem Gerangel und Geschubse, doch diesmal zog der Angeklagte das Messer und stach zu. Es sei Notwehr gewesen, behauptete der 45-Jährige in der Verhandlung. "In der Sekunde habe ich mir nicht anders zu helfen gewusst", sagte er. Der 37-Jährige hätte ihn ins Häuschen geschubst, sodass er sich den Kopf gestoßen habe und zu Boden gegangen sei. Dann habe er ihm mit dem Unterarm die Kehle abgedrückt. So dass er noch immer Schluckbeschwerden habe. Er habe aber gezielt neben die Arterie gestochen, deren Verletzung unweigerlich den Tod zur Folge gehabt hätte.

Aus Sicht des 37-Jährigen kam der Stoß mit dem Messer ganz plötzlich. Der andere habe mit Schwung ausgeholt, dann habe er den Schmerz gespürt, sagte er. Das Messer habe er nie gesehen. Der Verletzte griff offenbar intuitiv nach der Hand des Angeklagten, versuchte diese abzuwehren und als der Bus kam, zerrte er ihn mit in diese Richtung, weil er hoffte dort Hilfe zu bekommen.

"Er hat seine Provokationen heruntergespielt, und sein direkter Weg nach Hause hätte nicht an dem Bushäuschen vorbeigeführt"

Welche Version ist richtig? Die Staatsanwältin entschied sich sofort für die des Geschädigten. Der Verteidiger meldete Zweifel an: "Er hat seine Provokationen heruntergespielt, und sein direkter Weg nach Hause hätte nicht an dem Bushäuschen vorbeigeführt", gibt er zu bedenken.

Andererseits habe der 37-Jährige im Zeugenstand auch Dinge erzählt, die für ihn nicht von Vorteil seien, etwa die Sache mit dem Schwitzkasten, erinnerte der Richter. Zudem hatte er "keinen Belastungseifer" und seine Aussage sei immer gleich geblieben im Gegensatz zu der des Angeklagten. Der 45-Jährige hatte erst in späteren Aussagen von Schluckbeschwerden gesprochen. Völlig diffus sei auch geblieben, wie er zu dem halbausgeklappten Messer gekommen sei. "Wäre das Messer bereits bei der Schubserei vor der Kneipe in halb ausgeklapptem Zustand mit der Klinge aus der Hose geragt, hätte eine große Verletzungsgefahr bestanden oder zumindest hätte die Hose gelitten", so der Richter. Ein Messer mit der Klinge nach außen zu tragen sei sehr ungewöhnlich, das hätte auch jedem Zeugen auffallen müssen. Doch niemand sprach davon. Es könne nur so gewesen sein, dass der Angeklagte sich in der Bushaltestelle das Messer zugriffsbereit zurechtgelegt hat, um es mit einer Hand herausziehen zu können, so der Richter. "Er wollte, wenn es noch mal Ärger gab, nicht wieder den Kürzeren ziehen und im Schwitzkasten verhungern, sondern als Sieger hervorgehen. Er hatte bedingten Tötungsvorsatz." Ob er dabei beobachtet wurde, sei dem 45-Jährigen egal gewesen. Er hatte die Möglichkeit noch mal zuzustechen, bevor der Busfahrer kam und er schließlich vom Tatort floh. Aber er tat es nicht, so der Richter. Er trat freiwillig von seinem Tötungsvorhaben zurück. Deshalb blieb der Versuch straffrei. Die gefährliche Körperverletzung ist jedoch vollendet. Erst nach vier Tagen meldete sich der bereits vorbestrafte 45-Jährige bei der Polizei - allerdings erst nachdem diese seinen Namen schon herausbekommen hatte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: