Mitten in Bayern:Gender-Zeit in Oberammergau

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In Jesu Namen: Bei den Passionsspielen dürfen seit 1990 auch verheiratete Frauen jeden Alters auf der Bühne stehen. (Foto: Archiv Gemeinde Oberammergau)

Frauen haben gekämpft, damit sie bei Bayerns berühmtesten Passionsspielen mitmachen durften. Kaum 30 Jahre später steht nun eine Revolution im Gemeinderat an. Auch da geht es um Gleichberechtigung.

Kolumne von Matthias Köpf

Gut, 1989 fiel die Mauer und so, große Umwälzungen da und dort. Aber Oberammergau hielt stand, jedenfalls noch ein bisschen. Dort wurde erst im Jahre des Herrn 1990 alles anders. Nicht weil plötzlich lauter spirituell ausgehungerte Ossis die Passionsspiele gestürmt hätten, sondern weil da - beim Barte des Patriarchen! - auf einmal auch Frauen eine Rolle spielen wollten, obwohl diese Frauen doch schon verheiratet oder aus irgendwelchen anderen Gründen älter als 35 waren. Wobei: Gewollt hatten das viele Frauen ja vorher schon, aber jetzt mussten sie plötzlich dürfen, denn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte abschließend so geurteilt.

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Die Ticketbörse hatte den Verbrauchern mit einem Warnhinweis suggeriert, dass es nur noch wenige Karten für die Passionsspiele in Oberammergau 2020 gebe. Doch die Knappheit existiert gar nicht.

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Als Kollateraleffekt dieser Klage entstand dann noch eine neue lokalpolitische Gruppe, bei der wiederum die Männer nicht mitmachen durften. Die "Frauenliste Oberammergau" stellte nach der Wahl 1990 auch gleich die drei ersten weiblichen Mitglieder des Gemeinderats. Und obwohl gar keiner geklagt hat, ist es drei Jahrzehnte später offenbar schon wieder Zeit für eine Veränderung in Oberammergau: Die Frauenliste nimmt Männer auf.

"Nicht mehr zeitgemäß" sei so eine Frauenliste, sagte deren Vorsitzende dazu gerade dem Garmisch-Partenkirchner Tagblatt. Denn, von all den ziemlich zeitgemäßen Finessen der Gender-Debatte jetzt mal abgesehen: Im aktuellen Oberammergauer Gemeinderat sind fünf von 20 Mitgliedern Frauen, und nur zwei von ihnen gehören der Frauenliste an. Eine sitzt für eine Gruppierung namens "Mit Augenmaß" im Rat, und zwei für die sogenannte "Bürgerinitiative Oberammergau".

Und obwohl die inzwischen ehemalige Frauenliste dabei überhaupt gar kein Problem erkennen mag, wird es jetzt womöglich doch ein bisschen kompliziert. Denn die Bürgerinitiative Oberammergau kürzt sich selber "BIO" ab, das wird sich halt buchstabenhalber so ergeben haben. Und die inzwischen ehemalige Frauenliste tritt ab sofort als "Bunt in Oberammergau" auf, abgekürzt "BiO" (wegen der Buchstaben). Die frühere Frauenliste opfert durch ihren Verzicht auf das große Binnen-I offenbar gleich noch eine Errungenschaft der späten Achtzigerjahre, aber im Oberammergauer Gemeinderat gibt es ja auch noch eine Gruppe namens "Engagierte BürgerInnen", momentan mit zwei Räten, beide Männer.

© SZ vom 14.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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