Ex-Bundespräsident bei "Maischberger":Gauck und die Sidekicks

Gauck bei Maischberger

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck bei "Maischberger".

(Foto: WDR/Max Kohr)

"Maischberger" ist aus der Sommerpause zurück und hat mit dem früheren Bundespräsidenten einen starken Gast. Am Ende gibt es noch einen bleibenden Satz zur Causa Tönnies.

TV-Kritik von Dominik Fürst

Wo anfangen? Am besten mit einer positiven Nachricht: Joachim Gauck geht es gut. Der Bundespräsident a.D. ist vor wenigen Wochen mit einem Segelkutter in der Nähe der Ostsee gekentert und musste von Rettungskräften aus dem Wasser gefischt werden. "Das war ein richtig schönes Abenteuer", erzählt Gauck nun bei Sandra Maischberger, und dass die Sache "medial ein bisschen aufgeblasen" worden sei. Das Unglück ist nicht in der Ostsee passiert, sondern in einem kleinen Binnengewässer, seine Retter waren sofort zur Stelle, und, nicht ganz unwichtig: Das Wasser reichte Gauck nicht einmal zum Hals. Der 79-Jährige blickt also gelassen zurück: "Es möge nie etwas Schlimmeres passieren, als in einem Wasser zu kentern, wo man stehen kann."

Gauck ist zurück, und dasselbe gilt für die ARD-Sendung "Maischberger", die als erste Polit-Talkshow ihre Sommerpause beendet. Die zweite gute Nachricht: Weil die Sendung ein neues Format hat, sitzen nicht mehr fünf Leute im Kreis und hindern sich gegenseitig daran, ihre Sätze zu Ende zu sprechen. Stattdessen findet ein dreißigminütiges Gespräch zwischen Maischberger und Gauck allein statt, in dem es grob zusammengefasst um die Landtagswahlen im Osten, den Mauerfall, Rassismus und Toleranz geht. Es ist der interessanteste Teil des Abends.

Daneben sind drei Menschen zu Gast, die wohl am trefflichsten als Sidekicks umschrieben sind. Es handelt sich um die Kabarettistin Idil Bayda, den Journalisten Hans-Ulrich Jörges und den Verleger Wolfram Weimer. Ihnen stehen insgesamt etwa 15 Minuten Sendezeit zu, in denen sie von Greta Thunberg über mögliche Neuwahlen in Italien bis hin zur Vorsitzenden-Suche der SPD jedes Thema streifen, das in den vergangenen 14 Tagen auf den Politik-Seiten einer deutschen Tageszeitung zu finden war. Am Ende der Sendung sitzen sich noch der frühere TV-Kommissar und Politiker Charles M. Huber und die CDU-Frau Simone Baum in einem Streitgespräch gegenüber. Doch dazu später mehr.

Zuerst ist also Gauck an der Reihe. Maischberger bittet ihn, noch einmal seine Forderung nach einer "erweiterten Toleranz in Richtung rechts" zu erklären, die der frühere Pastor in seinem neuen Buch und in einem Spiegel-Interview erhoben hat und die dann ganz schnell empörungsgesellschaftstypisch zum medialen Aufreger wurde. Gauck sagt: "Vom Gefühl her möchte ich all das, was ich irgendwie für antidemokratisch halte, aus der Öffentlichkeit verbannen." Aber das Gefühl sei die eine Sache, der Verstand die andere.

Er sehe mit Erschrecken nach Amerika und Polen, wo sich zwei gesellschaftliche Blöcke gegenüberstünden, zwischen denen es gar keine Brücken mehr gebe. "Ich möchte, dass wir begreifen: Einer kann demokratisch sein, ohne dass wir seine Meinung teilen. Toleranz besteht darin, dass ich mit ihm streite." Gauck geht es um den guten alten, demokratischen Streit.

Damit keine Missverständnisse aufkommen, erklärt er noch, dass er die AfD nicht mag und dass er mit deren Vorsitzendem Alexander Gauland nicht einmal mehr streiten würde, weil da seine Toleranzgrenze schon erreicht sei. Dass es der Deutsche Bundestag wiederum nicht geschafft habe, sich auf einen AfD-Kandidaten oder eine AfD-Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten zu einigen, findet er hingegen eher bedauerlich.

Weil Gauck so viel Kluges sagt und ausführlich erklären darf, wirkt es etwas lächerlich, als Maischberger ihn am Ende bittet, noch schnell ein paar Sätze zu vervollständigen. Bitteschön, Herr Bundespräsident: Wenn Trump wiedergewählt wird... "bringe ich mich nicht um und bin trotzdem traurig", sagt er. Und noch ein Wort zur Bundeskanzlerin? "Wenn Merkel einige Zeit im Ruhestand sein wird, wird vielen Menschen klarwerden, was Deutschland an dieser Frau gehabt hat." Versöhnlicher Schluss. Abgang Gauck.

Die Vertreterin der Werte-Union bleibt eine Erklärung schuldig

Damit zum letzten Drittel des Abends, dem Streitgespräch zwischen Charles M. Huber und Simone Baum. Huber, der Sohn eines Senegalesen und einer Deutschen ist und inzwischen im Senegal Kinder unterrichtet, ist in der vergangenen Woche aus der CDU ausgetreten, weil nach dem Rassismus-Skandal um Schalke-Boss Clemens Tönnies ("Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren") ausgerechnet der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung Günter Nooke (auch CDU) nur beschwichtigende, relativierende Worte fand. Nicht der Rassismus, sondern dessen Verharmlosung in seiner Partei habe Huber zum Austritt veranlasst.

Bei "Maischberger" sitzt ihm nun mit Baum eine Vertreterin der Werte-Union gegenüber, einem Verein innerhalb der CDU, der gerade einmal 2000 Mitglieder hat, aber anscheinend relevant genug für diese Art von TV-Sendung ist. Oder es hat sich, was plausibler erscheint, sonst kein Unionspolitiker gefunden, der Tönnies' rassistische Äußerung verteidigen wollte. Afrika-Experte Nooke jedenfalls habe nicht diskutieren wollen, berichtet Maischberger.

An dessen Stelle erklärt also Simone Baum, warum Tönnies' Bemerkung nicht so schlimm und auch nicht rassistisch gewesen sei: Weil es sich bei Rassismus um die Herabwürdigung anderer Menschen handle. Warum dieses Kriterium auf die entsprechende Aussage nicht zutreffen soll, erklärt Baum nicht.

Weil Huber wie Gauck souverän und überzeugend spricht, ist auch dieser letzte Teil der Sendung nicht verschenkt. Von ihm kommt jedenfalls die wichtigste, die vielleicht entscheidende Anmerkung zur Causa Tönnies, die dem einen oder anderen Zuschauer als Maßstab im Gedächtnis bleiben könnte. Huber sagt: "Eine rassistische Äußerung sollte man auch danach bemessen, welchen Impact sie auf die Leute hat, die davon betroffen sind. Das sind farbige Leute, das ist die afrikanische Diaspora in Deutschland." Dass diese Menschen in den vergangenen Tagen ausreichend zu Wort gekommen sind, lässt sich schließlich beim besten Willen nicht behaupten.

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