Werbetour des Bürgermeisters:Wie Bonn um seinen Status kämpft

Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan

Der Bonner Oberbürgermeister Sridharan hat eine Mission: die verbliebenen Bundesministerien in seiner Stadt halten.

(Foto: dpa)
  • Der Bonner Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan ist in Berlin auf Werbetour.
  • Er möchte für die Erhaltung der verbliebenen Ministerin in der ehemaligen Bundeshauptstadt Unterstützer sammeln.
  • Die Stadt befürchtet, dass bei einem Komplettumzug der Beamten nach Berlin insgesamt etwa 27 000 Jobs vor Ort wegbrechen könnten.

Von Ekaterina Kel, Berlin

Die Bundesstadt Bonn hat einen unermüdlichen Lobbyisten: Ashok-Alexander Sridharan, 54, Bonner Oberbürgermeister, Christdemokrat und aus Leidenschaft "ne bönnsche Jung". Am Mittwoch ist er aus dem Rheinland in die Bundeshauptstadt Berlin gereist, um für den Statuserhalt seiner Stadt als zweites politisches Zentrum zu werben. Der Bevollmächtige des Landes Nordrhein-Westfalen, Mark Speich, ebenfalls CDU, hat einen hübschen Empfang für den Gast aufgefahren. Weiße Tischdecke, kunstvoll gefaltete Stoffservietten, karamellisierte Lachshäppchen. Nichts scheint zu schade zu sein, wenn es darum geht, mehrere Tausend Arbeitsplätze zu sichern - und viel Geld in der Region zu halten. Es geht um die Stärkung und den Ausbau von Kulturprogrammen und Infrastruktur in Bonn sowie den umliegenden Kreisen Rhein-Sieg, Ahrweiler und Neuwied.

Aber Oberbürgermeister Sridharan ist nur für ein paar Stunden angereist - mit dem Flugzeug. Und das ist schon Teil des Problems.

Im vergangenen Jahr verzeichnete das Bundesinnenministerium knapp 230 000 dienstliche Flüge, im Durchschnitt macht das rund 630 Flüge pro Tag. Die meisten davon, 52 Prozent, machten Beamte zwischen Bonn und Berlin. Für viele Politiker ein neuer Anlass, den endgültigen Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin zu fordern. Und auch wenn Oberbürgermeister Sridharan sich auf andere Zahlen stützt (170 000 Flüge im Jahr 2017), ist auch ihm klar: Das Pendeln per Flugzeug muss eingedämmt werden.

Die Lösung lautet für Sridharan aber keineswegs ein Komplettumzug nach Berlin. Er pocht auf die "Stärkung der Schiene" und auf die "technischen Kommunikationsmöglichkeiten", sprich Videokonferenzen. Die 6433 Planstellen der Bundesministerien will er unbedingt in Bonn halten. Den Schätzungen seiner Mitarbeiter zufolge wären in dem von ihm befürchteten Fall eines Umzugs der Beamten noch viel mehr Jobs betroffen. 27 000 in etwa. Denn viele NGOs, Institute, Stiftungen und die zahlreichen UN-Organisationen säßen vor allem in Bonn, weil sie von einer direkten Anbindung an die Ministerien und Ämter profitierten, argumentiert Sridharan. Zögen diese weg, hätten die anderen auch keinen Grund mehr zu bleiben. Auch die drei Landräte und die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz befürchten das.

Bonn als Stadt des Wissens

Der Standort Bonn sei als internationaler Wissenschaftsstandort einzigartig, zum Beispiel dank eines Innovationszentrums für Cyber Security oder dem Sitz der Deutschen Forschungsgemeinschaft, einem Verein zur Förderung der Wissenschaft. So steht es in einem Positionspapier, das als Grundlage für die Verhandlungen mit der Bundesregierung dienen soll und das Sridharan nach Berlin mitgebracht hat. "Der Bund wird aufgefordert, eine Gesamtstrategie zu implementieren, die dieses besondere Kompetenzzentrum fördert", ist dort ebenfalls zu lesen.

Mit Besorgnis beobachten die Regionalpolitiker den sogenannten Rutschbahn-Effekt: Seit dem Teilumzug der Bundesregierung im Jahr 1999 nach Bonn verschieben sich die Verhältnisse immer weiter Richtung Berlin. Waren im Jahr 2000 noch 60,8 der Ministeriumsstellen am Rhein angesiedelt, sind es, Stand 2017, nur noch 34 Prozent. Dabei schreibt das Bonn-Berlin-Gesetz vor, dass "der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundeshauptstadt Bonn erhalten" bleiben soll.

Die Betonung liegt auf dem letzten Wort, für den studierten Juristen Sridharan ist klar: "Der Rutschbahneffekt widerspricht dem Bonn-Berlin-Gesetz. Insofern haben wir einen in Anführungszeichen rechtswidrigen Zustand." Rechtliche Schritte kämen aber nicht infrage. Einmal, weil eine Klage bereits an der Zulässigkeit scheitern würde, aber auch, weil bei diesem Tauziehen freundlichere Mittel angewandt werden sollen. "Wir wollen Partner der Bundesregierung sein, nicht Gegner", betont der mitangereiste Hans-Jakob Heuser, Leiter der "Geschäftsstelle Bonn/Berlin", die 2018 eigens dafür eingerichtet wurde, um einen "Bonn-Vertrag" auszuhandeln und damit die Zukunft der gesamten Region zu sichern.

Im Grunde nimmt die Bonner Lobby die Große Koalition beim Wort. Im Koalitionsvertrag steht: "Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz." Und weiter: "Der Bund wird mit der Region Bonn sowie den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine vertragliche Zusatzvereinbarung ("Bonn-Vertrag") schließen." Nachdem Bundesinnenminister Seehofer (CSU) aber Anfang des Jahres davon gesprochen hatte, dass er "überhaupt keinen akuten Handlungsbedarf" in dieser Sache sehe, spüren einige Akteure die Notwendigkeit, ihrer Position mehr Nachdruck zu verleihen. Anfang Juli kündigte Seehofer zudem eine Großoffensive an, um strukturschwache Regionen zu stärken und auch Bundeseinrichtungen an anderen Orten, beispielsweise verstärkt im Osten des Landes, zu errichten. Alles keine erfreulichen Nachrichten für die Bonner Region. Sie hofft nicht zuletzt auf den Ausbau ihres Nahverkehrs und die dafür nötigen Bundesmittel.

Grüne: CO2-Emissionen nicht die drängendste Frage

Unterstützer gibt es ausgerechnet bei den sonst so CO2-allergischen Grünen. Die Abgeordnete Katja Dörner sagt zum Beispiel: "Bonn ist ein wichtiges und zukunftstaugliches Cluster geworden, das es zu stärken gilt." Auch ihr Parteichef Robert Habeck hat die Bonn-Berlin-Aufteilung Ende Juli als "Strukturpolitik" verteidigt. Der Flugverkehr zwischen Berlin und Bonn und die damit entstehenden CO2-Emissionen seien nicht die drängendsten Fragen.

Anders sieht es die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch. Ihre Fraktion bringt seit Jahren denselben Antrag in den Bundestag ein: Beendigung des Bonn-Berlin-Gesetzes. Lötzschs bezeichnet die Aufteilung der Regierung in zwei Städte als "Anachronismus". Die vielen Inlandsflüge der Minister und Beamten seien ein weiterer Grund, "mit dem Pendeln einfach Schluss zu machen".

Auch Eckhardt Rehberg, Haushaltsexperte der CDU, begrüßt langfristig einen Komplettumzug, es wäre ein "wichtiger Baustein zur Vollendung der Deutschen Einheit". Aber er warnt im gleichen Atemzug: "Zur Wahrheit gehört auch, dass ein Komplettumzug nach Schätzungen Investitionskosten von mindestens fünf Milliarden Euro verursacht." Außerdem müsste irgendwo der in Berlin ohnehin knappe Wohnraum für die Umzügler herkommen. Mit einer ersten Gesprächsrunde auf Ministerebene rechnet Sridharan bereits Anfang September. Wie viele Runden es geben soll? "So viele, wie es braucht."

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