Werbung:Väter, die alles erreichen

Werbung: Überforderte Männer, überlastete Mütter? Screenshot aus dem Fernsehwerbeclip für Philadelphia.

Überforderte Männer, überlastete Mütter? Screenshot aus dem Fernsehwerbeclip für Philadelphia.

(Foto: Mondelez/oh)

Großbritannien verbietet erstmals sexistische Reklamespots - einen für den E-Golf von Volkswagen und einen für Streichkäse von Philadelphia.

Von Vivien Timmler

Die Briten räumen ihre Werbeblöcke auf: Nachdem vor wenigen Monaten neue Regeln gegen sexistische Werbung eingeführt worden sind, hat die britische Werbeaufsicht nun erstmals zwei Spots verboten. Einer davon wirbt für den E-Golf von Volkswagen, ein zweiter für Streichkäse der Marke Philadelphia.

Letzterer zeigt zwei Männer in einem Restaurant. Sie werden von ihren Frauen beauftragt, auf die Kinder aufzupassen, vergessen diese banale Alltagsaufgabe jedoch sogleich, als sie auf einem Förderband vor ihnen Essen erspähen. Wenig später sieht man, wie anstatt der Schnittchen die Kleinkinder auf dem Band durch das Restaurant befördert werden - vollkommen unbeaufsichtigt von ihren Vätern.

Die nationale Werbebehörde Großbritanniens, die Advertising Standards Authority (ASA), teilte mit, der Werbespot "beruhte auf dem Stereotyp, dass Männer nicht so gut wie Frauen in der Lage sind, für Kinder zu sorgen, und implizierte, dass die Väter wegen ihres Geschlechts dabei versagten, sich um sie zu kümmern". Die Firma Mondelez, zu der Philadelphia gehört, erwiderte, die Werbung zeige ein positives Bild von Männern. Im Spot sei zu sehen, wie sie Verantwortung über- und eine aktive Rolle bei der Kinderbetreuung einnähmen.

Der Spot von VW, dessen Ausstrahlung die ASA künftig ebenfalls untersagt, ist da schon weniger diskutabel: Die Werbung zeigt vier Männer bei abenteuerlichen und sportlichen Unternehmungen. Ein Vater zeltet mit seinem Sohn in den Bergen, zwei andere befinden sich im schwerelosen Raum, ein vierter betreibt trotz einer Beinprothese erfolgreich Weitsprung. Dazu erscheint der Satz "Wir können alles erreichen". Das nächste Bild zeigt dann eine Frau, die neben einem Kinderwagen auf einer Bank sitzt und liest.

Die britische Werbeaufsicht argumentiert, jene Bilder von Männern in außergewöhnlichen Umgebungen und augenscheinlich passiven Frauen in der Fürsorgerolle würden "altmodische und stereotype Sichtweisen auf Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft" zeigen und befördern. Geraldine Ingham von der Marketingabteilung von Volkswagen Großbritannien hingegen sagte, die Werbung zeige sowohl Männer als auch Frauen "in herausfordernden Situationen".

Die beiden Verbote sind die ersten Maßnahmen, die getroffen wurden, seitdem die britische Werbeaufsicht im Juni Kampagnen untersagt hat, die mit stereotypen Geschlechterrollen arbeiten. Weitere Beispiele für sexistische Werbung sind laut ASA ein Mann, der keine Windeln wechseln, eine Frau, die nicht einparken kann, oder Werbung, die unterstellt, dass Frauen allein für das Kochen und Putzen zuständig seien. Zwar kann die Aufsicht selbst keine Strafen gegen die jeweiligen Konzerne verhängen, britische Sender müssen sich jedoch nach ihren Entscheidungen richten.

Großbritannien hat das Verbot sexistischer Werbung bereits vor etwa zwei Jahren auf den Weg gebracht. Die Aufsichtsbehörde argumentierte damals, derartige Werbespots könnten vor allem für Kinder negative Folgen haben und sie bei der Gestaltung ihrer Zukunft einschränken. Da Kinder Stereotype besonders schnell verinnerlichten, beeinflussten diese in besonderem Maße, wie sie sich selbst und andere wahrnehmen und was sie sich zutrauen, so die Begründung der ASA.

Im Gegensatz zu den Deutschen sind die Briten traditionell streng, wenn es um Werbebotschaften und deren gesellschaftliche Wirkung geht. Im vergangenen Jahr verschärfte die britische Werbeaufsicht beispielsweise die Regeln für Plakate und Spots, die Lebensmittel mit besonders hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt bewerben. Auch Werbung, die unrealistische Schönheitsideale verbreitet, hat die Behörde in der Vergangenheit bereits verboten. In Deutschland hingegen gilt die Aufmerksamkeit der Kontrolleure in erster Linie falschen Werbeversprechen und falsch deklarierten Inhaltsstoffen. Ein deutschlandweites Verbot von sexistischer Werbung ist nicht geplant.

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